Schlüpfer und ihre Helfer

Von Zug bis Luxemburg leben die Steuerschlüpfer nur deshalb so gut, weil neben jedem Loch ein Finanzminister Schlupfhilfe leistet.

Der Steuerberater Gottfried Schellmann findet meine Kritik an Österreichs Umgang mit den Steuerleaks „unredlich“ („Presse“ am 19.11.). Weil er der Kritik an seinesgleichen kaum ernsthaft begegnen kann, redet er das Problem zuerst zu einer Bagatelle klein. Dann greift er zu einem Trick: Er ersetzt den von mir kritisierten Finanzminister durch seine Beamten und nimmt sie dann wortreich in Schutz.

Also noch einmal, für Schellmann und Co.: Frank Stronach logiert in einer kleinen Wohnung gleich über einer Pizzeria in Zug. In Luxemburg dient ihm die Ocalux Sarl, eine Tochter einer Briefkastenfirma in Jersey. Stronach und Magna geht es von Zug bis Luxemburg nicht um mehr Pizza, sondern um weniger Steuern. Konzerne wie die AUA weisen die Special Purpose Vehicles,mit denen sie auf Karibikinseln österreichische Steuern vermeiden, ungeniert in der konsolidierten Bilanz aus. Sie wissen, dass ihnen in Wien nichts passiert.

Von Zug bis Luxemburg leben die Steuerschlüpfer nur deshalb so gut, weil neben jedem Loch ein Finanzminister Schlupfhilfe leistet. Gewinne verschwinden über Lizenzgebühren, alles ist legal, weil sich die Schlüpfer von ihren Schlupfparteien alles gesetzlich maßschneidern lassen. Berater wie PwC, Deloitte, Ernest & Young und KPMG beschildern die Steuerfluchtwege, beschaffen die Fluchtvehikel und stellen zum Schluss noch das Prüfpickerl aus. Am Ende ist alles ebenso bedauerlich wie legal. Als erfahrener Schlüpfer für die XXXLutz AG weiß unser Finanzminister das aus erster Hand.

Keine Bagatelle für das Budget

Der Schaden, den die Fluchtkonzerne in der EU verursachen, wird von EU-Kommissar Algirdas Šemeta auf 1000 Milliarden Euro geschätzt. Für Schellmann mag das eine Bagatelle sein. Für das Budget der Republik Österreich ist ein Schadensanteil von etwa fünf Milliarden ein großes Loch.

In Staatslöchern wie Luxemburg und Irland verschwinden die Unternehmenssteuern. Die Grenzen der Schweiz markieren ein ebenso großes Loch für Steuern auf Vermögen. Das breite Fundament aus Bildung und sozialer Sicherheit, das Europa für seine Zukunft braucht, ist finanzierbar – aus der Schellmann'schen Bagatelle. Europa muss sich das Geld nur holen. Ich bin mir sicher, dass die Beamten des Finanzministeriums dabei ihr Bestes versuchen. Aber auch sie wissen, dass sie einer Übermacht aus flüchtigen Konzernen, erfindungsreichen Beratern und dienstbaren Ministern gegenüberstehen.

Der Rechnungshof hält fest: „2008 bis 2012 war der Nutzen der Finanzbediensteten – gemessen nach festgesetzten Mehrergebnissen – im Durchschnitt zwölfmal so hoch wie deren Kosten; 2011 betrug das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei den Bediensteten der Großbetriebsprüfung sogar rund das 34-Fache.“ Trotzdem verloren allein die Großbetriebsprüfungen zwischen 2008 und 2012 fast ein Viertel ihrer Mitarbeiter.

Bleibt eine letzte Frage: Warum wirft der Steuerberater Schellmann den VP-Finanzministern Nebelgranaten? Vielleicht liegt die Antwort in einem beruflichen Fehlversuch: Schellmann war bei der letzten Nationalratswahl Kandidat der ÖVP. Als Nummer 31 auf der Bundesliste hat er es nicht geschafft.

Dr. Peter Pilz (*1954) ist Sicherheitssprecher und Nationalratsabgeordneter der Grünen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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