Mietrecht – neu: Bitte nicht schon wieder halbe Lösungen!

Der SPÖ-Entwurf für ein neues Mietrecht ist nicht universal genug.

Der SPÖ ist für ihren Vorstoß in Sachen Wohnrechtsreform zu danken. Ihr Entwurf zu einem „Österreichischen Universalmietrechtsgesetz“ bringt wieder Schwung in eine zuletzt resigniert geführte Debatte. Sehr zu begrüßen ist auch der Anspruch, ein bundesweit gültiges Gesetz zu schaffen, das alle bisherigen Teilregelungen ersetzt. Aber hier endet die Begeisterung auch schon.

Denn der SPÖ-Vorschlag bezieht sich wieder einzig und allein auf die 50 Prozent österreichischer Mietwohnungen, die nicht gefördert errichtet wurden und deren Mietzinsbildung über das Mietrechtsgesetz (MRG) bzw. das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) geregelt wird. Ausgenommen bleiben die anderen 50 Prozent der Mietwohnungen, nämlich die mithilfe der Wohnbauförderung errichteten, deren Zinsbildung über das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) geregelt wird. Frage: Wie universal ist ein Mietrechtsgesetz, das nur die Hälfte des Wohnungsbestands adressiert?

Es handelt sich also wieder um ein in erster Linie politisches, kein sachliches Konzept. Der SPÖ-Entwurf geht unhinterfragt von der Prämisse aus, dass Wohnen keine Ware ist. Er geht weiters davon aus, dass das Haushaltseinkommen ein Parameter für die Miete sein soll. Aufgrund dieser Annahmen wird im Entwurf ein Standardquadratmeterpreis von 5,50 Euro für eine Normwohnung (= nicht geförderte Wohnung ab einem Bestandsalter von 20 Jahren) vorgeschlagen.

Verschärfung der Misere

Damit würde eine 20 Jahre alte Mietwohnung auf dem freien Markt billiger sein als eine geförderte Neubauwohnung (Quadratmeterpreis aktuell zwischen sechs und acht Euro), und fast gleich teuer wie eine 20 bis 30 Jahre alte Genossenschaftswohnung, deren Förderung ausgezahlt ist. Die Konsequenz daraus: Private Vermieter haben keinerlei Anreiz mehr, ihre Objekte in einen solchen „Markt“ zu entlassen. Die Wohnungsmisere des untersten Einkommensdrittels verschärft sich. Das Entstehen eines Schwarzmarkts mit gesetzwidrigen Ablösen wird regelrecht provoziert. Und die glücklichen Bewohner der billigsten Auslaufwohnungen des geförderten Sektors mit Quadratmeterpreisen zwischen drei und fünf Euro leben im Genuss eines sachlich ungerechtfertigten Privilegs, da die Qualität dieser Wohnungen den geringen Preis nicht rechtfertigt.

Ideologische Pattstellungen

Damit man wirklich von einem „Universalmietrechtsgesetz“ sprechen kann, müsste der Standardquadratmeterpreis einer freien Mietwohnung unmittelbar mit dem Preis einer neu errichteten geförderten Mietwohnung in Relation gesetzt werden. Nur so kann die Schaffung neuer Privilegien vermieden sowie eine sachliche, transparente Zinsgestaltung aller Mietwohnungen erreicht werden.

Bevor es so weit kommt, braucht es aber vor allem eines: neue Grundlagenarbeit abseits eingefahrener ideologischer Positionen. Es sollte vor allem eine rechtsethische Abwägung getroffen werden zwischen der Wohnung als Ware und Wohnen als menschlichem Grundbedürfnis.

Die ideologischen Pattstellungen können nur durch sachliche, unabhängige, wissenschaftlich fundierte Analysen aufgebrochen werden, die wiederum unter starkem Einbezug der Bevölkerung diskutiert werden müssen.

Diese Materie erfordert einen großen Wurf. Klare und zukunftsträchtige legistische Strukturen sind Voraussetzung dafür, dass das Wohnrecht in Österreich den Bedürfnissen der Bevölkerung optimal entspricht. Sich wieder in halben Lösungen zu verzetteln, wäre ein Armutszeugnis für die Politik.

Jörg Wippel ist Geschäftsführender Gesellschafter der wvg Bauträger Ges.m.b.H. und

Initiator der Alpbacher Baukulturgespräche. Herausgeber von „Wohnbaukultur in Österreich“. (Studienverlag 2014)


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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