Eine klare Botschaft der Schweizerischen Nationalbank

Die Reaktionen in der EU zeigen, dass man die Botschaft nicht hören will.

Faktisch entsprach die Verteidigung eines Mindestkurses gegenüber dem Euro einer geldpolitischen Quasimitgliedschaft der Schweiz in der Eurozone, da die Schweizerische Nationalbank gezwungen war, der expansiven Geldpolitik der EZB auf Schritt und Tritt zu folgen. Mit dem Beschluss, den Schweizer Franken aufs Neue den Marktkräften zu überlassen, ist die Schweiz nun wieder aus der Eurozone ausgetreten. Was aber ist die Botschaft der SNB an die Eurozone?

Folgt man den Worten des schweizerischen Nationalbankpräsidenten, dann zielt die Maßnahme darauf ab, einen noch größeren Schaden für die Schweiz abzuwenden. Ein noch größerer Schaden würde dann entstehen, wenn der Euro weiter in den Strudel von geldpolitisch induzierter Abwertung und realpolitischer Reformunfähigkeit gerät. Dies würde zu einer weiteren Zerreißprobe für den Euro führen.

Dieses Szenario hat die SNB offensichtlich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit bewertet als je zuvor und damit das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Eurozone genau in dem Moment verloren, in dem die strauchelnden Peripheriestaaten die verheißungsvollen und vermeintlich alles lösenden Staatsanleihenkäufe ersehnen.

Die entscheidenden Aspekte

Für jeden Bürger in der Eurozone muss diese Einschätzung durch eine gewichtige außenstehende und damit implizite, explizit von der europäischen Politik unabhängige Institution Anlass zu ernsthafter Sorge und zu kritischer Reflexion sein. Das ist auch die zentrale Botschaft an die Notenbankvertreter in Frankfurt, die sich dieser Tage treffen werden und eine schicksalhafte Entscheidung zu treffen haben.

Bei der Beurteilung einer Situation, die das Wohl einer Volkswirtschaft und damit vieler Menschen über Generationen hinweg tangieren kann, hat die SNB exemplarisch gezeigt, welche Aspekte schlussendlich nur entscheidend sein können. Erstens: eine nüchterne Einschätzung der ökonomischen Realität. Zweitens: die Bevorzugung nachhaltiger Lösungen gegenüber kurzfristiger. Drittens: Mut in der Umsetzung unter Inkaufnahme von Marktturbulenzen und Kritik.

Permanente Unsicherheit

In einer bezüglich der langfristigen Interessen solidarischen Währungsunion müssten alle Mitglieder die Folgewirkungen und die implizit erzeugte Erwartungshaltung ihrer Handlungen berücksichtigen. Werden Regeln oder Verhandlungsergebnisse einmal infrage gestellt, wird es auch ein zweites Mal und drittes Mal geben.

Das Resultat ist eine Krise, der man nicht Herr wird, weil der Zustand der permanenten Unsicherheit und des paralysierenden Zweifels über die nächste nicht eingehaltene Vereinbarung nie überwunden wird. Unter diesen „situationselastischen“ Kurs wäre ein Schlussstrich zu ziehen, wenn man die letzte Hoffnung auf Rückkehr eines Mindestmaßes an budgetärer Disziplin nicht verlieren will.

Das Akzeptieren ökonomischer Realitäten und die sich daraus ergebenden unvermeidbaren Konsequenzen sind die zentralen Botschaften der SNB an die Adresse der EZB. Die Reaktionen der vergangenen Tage in der EU lassen aber eher vermuten, dass man diese Botschaften nicht hören will.

Die Schweizer Nationalbank hingegen hat seit dem 15. Jänner aufgehört, die Realität zu verleugnen. Ihr gebührt dafür Anerkennung. Als österreichischer Steuerzahler kann ich nur hoffen, dass die Oesterreichische Nationalbank genauso wie die Deutsche Bundesbank bei der heutigen EZB-Sitzung dem „schweizerischen“ Realitätssinn folgen wird.

Prof. Dr. Teodoro D. Cocca ist Professor für Asset Management an der Johannes-Kepler-Universität in Linz und Adjunct Professor am Swiss Finance Institute in Zürich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)

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