Politisches Hasardspiel mit unserer Zukunft

Ohne ausreichende Finanzierung von Wissenschaft und Forschung verbauen wir unserem Land und unserer Jugend die Zukunft. Die Bundesregierung weiß das, zieht aber nicht die notwendigen Konsequenzen.

Man kann nicht sagen, die Politik wüsste nicht, was zu tun ist. Im Strategiepapier „Potenziale ausschöpfen, Dynamik steigern, Zukunft schaffen: Der Weg zum Innovation Leader“ hat die österreichische Bundesregierung im März 2011 „ein klares Bekenntnis zur Förderung von Forschung, Technologie und Innovation“ abgegeben. Demnach wird bis zum Jahr 2020 „eine Steigerung der Forschungsquote um einen Prozentpunkt – also von heute 2,76 auf 3,76Prozent“ – angestrebt.

Das Papier ist unter anderem von den heutigen Regierungsmitgliedern Faymann und Mitterlehner gezeichnet. In der Regierungserklärung 2008 war noch von einer Forschungsquote von vier Prozent die Rede gewesen. „Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise und der in deren Folge in den kommenden Jahren notwendigen Maßnahmen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen“ wurde dieses Ziel (auf 3,76Prozent) nach unten revidiert.

Forschung sichert Wohlstand

Davon sind wir weit entfernt – und leider nicht einmal auf gutem Weg. Zynisch könnte man anmerken, dass wir – bei sinkender Wirtschaftleistung – dieses Ziel vielleicht auch ohne zusätzliche Mittel erreichen. Wenngleich weniger konkret, sind diese Absichten auch im Arbeitsprogramm 2013 bis 2018 der österreichischen Bundesregierung enthalten. Hier wird unter anderem angestrebt: „Durch Orientierung an der FTI-Strategie in die Spitzengruppe der innovativsten Forschungsländer Europas aufzusteigen“ sowie „durch gezielte Maßnahmen mit starker Hebelwirkung höhere private Forschungsinvestitionen auszulösen“.

Der Bundesregierung ist somit klar, dass Forschung zur Sicherung des zukünftigen Wohlstands eine solide finanzielle Basis benötigt. In privilegierten Teilbereichen wurde dies auch umgesetzt.

So erhielt das Prestigeprojekt der österreichischen Wissenschaftspolitik, das Institute of Science and Technology Austria (IST-A), im Februar 2012 die Zusage, dass „Bund und Land Niederösterreich von 2017 bis 2026 pro Jahr im Schnitt 65,8 Mio. Euro investieren. Hinzu kommen maximal 16,6 Mio. Euro jährlich bei erfolgreicher Drittmitteleinwerbung, sowie maximal 16,6 Mio. Euro jährlich, die an forschungsimmanente Qualitätskriterien gebunden sind.“

Ich möchte hier nur festhalten, dass erfolgreiche Forschung auf internationalem Niveau kostet, und dass dies – wie das Beispiel IST-A zeigt – der Politik auch bewusst ist. Das IST-A hat darüber hinaus 17 Millionen Euro an privaten Spenden eingeworben. Noch erfolgreicher war die Paracelsus Privatuniversität Salzburg (PMU), die von Dietrich Mateschitz im Jahr 2012 70 Millionen Euro zur Errichtung eines Querschnittslähmungs-Forschungszentrums erhielt.

Dadurch ermutigt, sieht das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft eine Chance, private Mäzene anzusprechen, für Forschungseinrichtungen zu spenden. Im Ministerium wird derzeit an einer Novellierung des Bundesstiftungs- und Fondgesetzes gearbeitet, wodurch das Spenden für gemeinnützige Zwecke erleichtert werden soll.

Kompetitive Förderung

Ob dies gelingt, hängt nicht zuletzt von den derzeit laufenden schwierigen Verhandlungen zur Steuerreform ab. Aber selbst dann muss zunächst das Vertrauen der Stifter gewonnen werden. Danach sieht es derzeit gar nicht aus, wenn man das Mantra der SPÖ zur Einhebung einer Millionärssteuer betrachtet. Mit anderen Worten: Man kann den Kuchen nicht essen und zugleich behalten.

Der wesentliche Hebel zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung ist die kompetitive Vergabe von Fördermitteln. Kurz zur Erklärung: Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erhalten vom Staat eine Basisfinanzierung. Das reicht schon seit Langem nicht mehr zur Finanzierung von Forschungsprojekten. Somit suchen aktive Gruppen um Fördermittel für definierte Forschungsvorhaben an.

In Österreich sind im Wesentlichen zwei Institutionen für die Vergabe solcher Mittel zuständig: Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung FWF (für Grundlagenforschung) sowie die Forschungsförderungsgesellschaft FFG (für angewandte Forschung).

Die Mittel für diese Einrichtungen werden von zwei Ministerien bereitgestellt: dem Wissenschaftsministerium unter Reinhold Mitterlehner sowie dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie unter Minister Alois Stöger. Darüber hinaus fördert auch die EU Forschungsprojekte, wobei Länder, in denen die Forschungseinrichtungen gut dotiert sind, nicht nur nachvollziehbar, sondern auch nachweislich mit ihren Anträgen erfolgreicher sind.

Enttäuschung und Frust

Mit anderen Worten: Je besser Forschungseinrichtungen auf nationaler Ebene finanziell ausgestattet sind, umso erfolgreicher sind sie auch im internationalen Wettbewerb. Und hier haben wir ein Problem: Der FWF hatte 2013 (für 2014 liegen noch keine Zahlen vor) ein Bewilligungsvolumen von etwa 200 Millionen Euro; Projekte im Ausmaß von rund 80 Millionen Euro, die nach internationaler Beurteilung hervorragend waren, konnten allerdings nicht gefördert werden.

Zur Finanzierung sämtlicher förderwürdigen Projekte wäre somit schon 2013 ein Betrag in der Höhe 280 Millionen Euro notwendig gewesen. Die hohe Anzahl von Ablehnungen erzeugt nicht nur Enttäuschung bei den Bewerbern – immerhin gehen einem solchen Ansuchen oft wochenlange Vorarbeiten voraus –, sondern mittlerweile auch Frust beim FWF und dessen Präsidentin, Pascale Ehrenfreund.

Eine Flut von Anträgen

Für die Jahre 2016 bis 2018 ist für den FWF ein Budget in der Höhe von 183 Millionen Euro und folglich ein Betrag, der bereits unter den minimalen Erfordernissen von 2013 liegt, vorgesehen. Hier ist noch nicht berücksichtigt, dass die Anzahl der Anträge pro Jahr nicht linear, sondern exponentiell steigt, und dass der FWF schon derzeit nicht alle Exzellenzprogramme, die notwendig wären, finanzieren kann.

Wenngleich sich mein Fokus hier auf den FWF richtet, benötigen natürlich auch Universitäten eine solide finanzielle Basis, weil sie die Labors und die erforderliche instrumentelle Infrastruktur bereitstellen. Die eingesetzten Fördermittel werden vom FWF allerdings punktgenauer verteilt, da hier die nach internationalen Maßstäben besten Projekte gefördert werden.

Für Forschung und Entwicklung ist es letztendlich gleichgültig, woher die notwendigen Gelder – ob von Privatpersonen, Stiftungen oder aus Steuermitteln – kommen. Ohne Finanzierung der Forschung verbauen wir unserem Land und unserer Jugend die Zukunft. Das ist der Bundesregierung bewusst.

Allerdings folgen, wie auch in anderen Bereichen, dieser Einsicht nicht die notwendigen Schritte. Wir werden sehr genau beobachten, welche der politischen Parteien Visionen für nachfolgende Generationen hat. Ich hoffe, sie sind sich dieser Verantwortung bewusst.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Sigismund Huck
(geboren 1946 in Göttingen) war Gastwissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München/Martinsried und Gastprofessor an der New York Universität sowie der Columbia Universität. Er war Präsident der Austrian Neuroscience Association. Derzeit Professor im Ruhestand am Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2015)

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