„Gewaltiges Unvermögen der regierenden Koalition“

Leser kommentieren Steuerreform. Monatelang rauchten die Köpfe in der Reformkommission. Produzierten sie letztlich nur heiße Luft?

Verpasste Chance

Ich möchte nur verzweifelt fragen, warum der Herr Finanzminister nicht darauf bestanden hat, dass wenigstens ab jetzt das Großprojekt Politreform (Staats-, Verwaltungsreform, Privilegienabbau) mit quantifiziertem Erfolgsziel (etwa sechs Mrd. ab dem Budget 2017 zu erreichen) aufgesetzt und abgearbeitet werden muss. Und dass beide Regierungsparteien dazu einen unwiderruflichen Beschluss fassen? Wieder eine Chance zur Umkehr auf dem Weg des Abstiegs versäumt. Wir Bürger müssen weiter um „Politreform jetzt“ kämpfen – für unsere Jungen!

Mag. Wolfgang Bauer, 1180 Wien

Ein seltsames Rechtsverständnis

In Dutzenden Leserbriefen beklagen sich Autofahrer, dass sie bei Überschreiten von angeordneten Höchstgeschwindigkeiten zur Kasse gebeten, von Staats wegen sozusagen „abgezockt“ werden. Frage: Wer hindert sie daran, sich an bestehende Gesetze zu halten und so zu fahren, dass sie nicht abgezockt werden?

Die Bankenverbände und speziell die Sparkassen und Raiffeisen wehren sich laut Zeitungsberichten vehement gegen eine im Zuge der Steuerreform angedachte Aufweichung des Bankgeheimnisses bei Betriebsprüfungen. „Wir verwehren uns gegen ein Zentralregister, denn das deutsche Beispiel zeigt, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Sozialbehörden darin herumschnüffelten. Auch ein Unternehmer hat ein Recht auf den Schutz seiner Interessen.“ Frage: Wer hindert einen Unternehmer daran, seine Geschäfte so zu führen, dass er weder vor Staatsanwälten noch vor Sozialbehörden Angst haben muss?

Zwei Beispiele über ein in Österreich weitverbreitetes, seltsames Rechtsverständnis.

Dkfm. Heinz Hutter, 5081 Anif

Getroffen wird vor allem der Mittelstand

Die Steuerumverteilung als Pyrrhussieg der ÖVP zu bezeichnen ist ein gewaltiges Deminutiv. Die Verhinderung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie einer Vermögensteuer über einer Million Euro bringt der Stammklientel der ÖVP nichts. Betroffen hätte es nur wirkliche Millionäre, die auch wahlarithmetisch nicht ins Gewicht fallen. Hingegen hat sich die ÖVP bezüglich des Mittelstandes über den Tisch ziehen lassen.

Wie in der „Presse“ gut dargelegt, steht die Ersparnis hinsichtlich Lohn- und Einkommensteuer in keiner Relation zu den Nachteilen, die gerade den Mittelstand durch die neue Grunderwerbsteuer und den Wegfall der Abschreibungsmöglichkeiten treffen.

Erfahrungsgemäß wechselt innerhalb einer Generation Grundbesitz ein- bis zweimal innerhalb einer Familie unentgeltlich durch Erbschaft oder Schenkung den Eigentümer. Die vorgesehene Belastung wird den Erwerber oftmals zum Verkauf zwingen, da er durch die Besteuerung des Grunderwerbes und die notwendigen hohen Schätzungskosten es sich nicht wird leisten können. Ganz zu schweigen von der verfassungsrechtlichen Problematik, die durch die Ungleichbehandlung von unentgeltlichem Erwerb von Geldvermögen und Grundvermögen besteht. Auch die Abschreibung von privaten Pensions- und Krankenversicherungen trifft punktgenau den Mittelstand.

Man kann demnach nicht von einem Pyrrhussieg, eher von einer Schlacht mit verheerenden Verlusten sprechen.

Dr. Hans Jörg Schachner, 3390 Melk

Stoff für Stammtische

Der Bundesregierung ist eine gewisse Umsichtigkeit bei der Steuerreform nicht abzusprechen. So hat man zum Beispiel, da der Begriff „Hacklerregelung“ im Auslaufen ist, anstelle der abgedroschenen Bezeichnung „regelmäßige Betriebsprüfung“ den Begriff „Betrugsbekämpfung“ gewählt. Ein Begriff, der den Stammtischen wieder emotionalen Gesprächsstoff liefert. Ob sich die Finanzbeamten künftig mit „Ankündigung der Betrugsbekämpfung“ anmelden werden, ist noch nicht bekannt.

Gottfried Stögner, 4609 Thalheim

Hausdurchsuchungen durch Steuerbeamte?

Oh ihr uns regierenden Kleingeister, die ihr die Welt nicht versteht. Geht das muntere Unternehmerbashing also weiter. Man könnte den Generalverdacht des Steuerbetruges etwa auch auf alle angestellten Handwerker ausweiten, da ja anzunehmen ist, dass vereinzelt dem sehr lukrativen (weil eben unversteuerten) Pfusch gefrönt wird. Fehlt noch, dass Steuerbeamte Vollmachten zu Hausdurchsuchungen bei Unternehmen bekommen, wie es bereits bei GIS-Vollstreckern der Fall ist.

Auch die neuerliche Erhöhung der Abgaben auf von den jeweiligen Unternehmen bereits versteuerte Dividenden erfreut nur neidgeplagte Nichtaktienbesitzer. So werden treue Langzeitinvestoren vertrieben und die Bühne für ausländische Zocker geöffnet, die nach Kursverfall österreichische Unternehmen zum Schnäppchenpreis übernehmen können. Solche Tatsachen werden aber den meisten Wählern nicht bekannt – oder aber herzlich egal sein. Und um nur die geht es ja, oder?

Peter Weixlbaumer,
4020 Linz

Keine Steuer-, eine Umverteilungsreform

Ich verstehe unter Steuerreform entweder Rückführung von unnötigen Steuerlasten der Bürger, da zu viele Steuern so wunderbar sprudeln; oder aber Ausgabeneinschränkungen des Staates, der erkannt hat, dass gewisse Aufgaben keinen oder geringen Mehrwert haben. Auch das führt zu einer positiven Steuerbilanz, die man teilweise dem Bürger zurückgeben kann. Die nun verkündete Umverteilungsreform bescheinigt den handelnden Personen ihr gewaltiges Unvermögen. Der Kanzler hat sich schon diesbezüglich geoutet. Dass der Vizekanzler noch in der Lage ist, etwas draufzulegen, grenzt an Peinlichkeit.

Drei Milliarden Euro (Jagd auf Steuerbetrüger und Verwaltungsreform) gehören gefälligst zum täglichen Geschäft der Exekutive. Wenn dies nicht so wahrgenommen wird, besteht der Verdacht des Amtsmissbrauches.

Bleibt die Frage bestehen, ob wir wegen kontinuierlichen Versagens des Spitzenpersonals nach dieser heißen Luft zunächst eine blitzartige Reform von unseren Nationalratsabgeordneten einfordern sollten. Oder wollen sie dieses dilettantische Reförmchen im Parlament gar durchwinken?

Christian Coreth, 3424 Wolfpassing

Steuergerechtigkeit – bald auch in Österreich

Man kann zur Steuerreform stehen, wie man will, aber einen erfreulichen Schritt kann man erkennen: Auch in Österreich ist man auf dem Weg zu mehr Steuergerechtigkeit. Mit der Steuerreform versucht man wenigstens ein paar Schlupflöcher zu stopfen (Registrierkassenpflicht, Aufhebung des Bankgeheimnisses, Betrugsbekämpfung). Wenn man künftig Betrieben genauer auf die Finger schaut und sie zwingt, alles sauber nachzuweisen, so ist das gerecht.

Es gilt immer noch als Kavaliersdelikt, einerseits vom Staat alles zu verlangen und ihn gleichzeitig zu betrügen. Schwarzarbeit basiert immer auf zwei Seiten: demjenigen, der sie anbietet und demjenigen, der sie annimmt. Es ist in unserem Land (ob mit oder ohne hohe Steuerbelastung) üblich, dass Firmen, Handwerker, Kanzleien etc. anbieten, einen Teil der Leistung nicht offiziell zu verrechnen, und der Auftraggeber dies oft dankend im Sinne einer Ersparnis annimmt. Betrugsbekämpfung führt zu mehr Steuergerechtigkeit.

Heinz Pliessnig, 6179 Ranggen

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2015)

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