Krim-Annexion: Als Putin alle Regeln über Bord warf

Europa darf das aggressive Vorgehen Moskaus nicht einfach hinnehmen.

Vor einem Jahr wurde auf der Krim mithilfe Moskaus ein illegales und illegitimes „Referendum“ abgehalten, in dessen Folge Russland die Krim annektierte, europäische Grenzen gewaltsam verschob und die aufkeimende Krise in der Ostukraine verschärfte. Dieses „Referendum“, das hastig in nur zwei Wochen anberaumt worden war, stellte eine Verhöhnung der Demokratie dar.

Unabhängige internationale Beobachter gab es nicht. Stattdessen waren russische Elitekräfte vor Ort – „die kleinen grünen Männchen“ –, die Präsident Putins Willen vollstreckten. Ausrüstung, Akzente und Ausbildung enttarnten diese Kämpfer als russisch, selbst wenn die Hoheitsabzeichen entfernt worden waren.

In den Tagen vor dem „Referendum“ wurden die terrestrischen TV-Sender auf der Krim abgeschaltet. Wer sich gegen die russische militärische Besetzung aussprach, wurde eingeschüchtert und bedroht. All dies geschah, während die russische Führung behauptete, dass die Rechte der russischsprachigen Bevölkerung auf der Krim von Kiew bedroht würden. Dieses zynische Täuschungsmanöver überzeugte niemanden.

Russen waren nie in Gefahr

Tatsächlich hat Wladimir Putin vor zwei Wochen zugegeben, dass er die Annexion der Krim schon Wochen vor dem Scheinreferendum geplant hat. Wir wissen, dass niemals eine Gefahr für die russischsprachigen Bürger auf der Krim oder anderswo in der Ukraine bestanden hat. Auch die OSZE-Hochkommissarin für nationale Minderheiten fand vor der Annexion keine Anhaltspunkte für eine Verletzung oder Bedrohung der Rechte.

Aus zahlreichen Berichten geht klar hervor, dass die Menschenrechte in Wirklichkeit erst nach der russischen Besetzung der Krim verletzt wurden. Besonders hart betroffen sind ethnische Minderheiten wie die zahlenmäßig nicht unbedeutende Bevölkerungsgruppe der Krimtataren. Es ist wichtig, die Bedeutung der Krim-Annexion nicht herunterzuspielen. Russlands aggressives Vorgehen ist nicht nur eine Gefahr für die Ukraine, sondern für ganz Europa.

Der Ausweg aus der Krise

Durch die Annexion ukrainischen Gebiets, die Verletzung seiner territorialen Unversehrtheit und die Destabilisierung der Ostukraine mit Soldaten und Waffen wurde die demokratische Ordnung des 21.Jahrhunderts infrage gestellt und wurden internationale Regeln über Bord geworfen. Genau deshalb ist Russland im Sicherheitsrat und in der breiteren internationalen Gemeinschaft isoliert.

Die EU-Staaten müssen sich gegen die Gefahr zur Wehr setzen, die das russische Vorgehen für unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Sicherheit darstellt. Kein Land, so groß es auch sein mag, kann sich über internationale Normen hinwegsetzen, ohne die Konsequenzen zu tragen. Wir dürfen Russlands illegale Annexion der Krim nicht als neue Realität hinnehmen. Sie war ein illegaler Akt. Unsere Politik muss dieser Tatsache Rechnung tragen.

Es gibt einen Ausweg aus dieser Situation. Russland kann seine Truppen von der Krim und aus der Ostukraine abziehen, seine Verpflichtungen nach den Abkommen von Minsk einlösen und die ukrainischen Bürger selbst über ihr Land bestimmen lassen. Solange das nicht geschieht, werden wir die Vorgänge auf der Krim nicht ignorieren. Unsere Position ist unverrückbar: Die Annexion der Krim ist inakzeptabel, und wir werden unsere Werte auch weiterhin mit Sanktionen gegen jene verteidigen, die den Raub der Krim von der Ukraine zu verantworten haben.

Dominic Schroeder ist seit 2011 britischer Botschafter bei der OSZE. Er ist seit 1988 im Britischen Diplomatischen Dienst – mit Stationen in New York, Teheran, Berlin und Wien. Im Foreign Office war er in leitender Funktion in der Sicherheitspolitik tätig.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2015)

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