Klugs vorschneller Marschbefehl nach Afrika

Was haben österreichische Soldaten im unruhigen Zentralafrika zu suchen?

Während die Einsparungen bei Militärmusik und Kasernen das nostalgische Vertrauen in die Grundfesten der Landesverteidigung weiterhin erschüttern, zeigt sich Minister Gerald Klug fest entschlossen, dem trostlosen Bild vom Rückzug seines Heeres ein Ende zu bereiten. Seit dem 10. März ist es jedenfalls Gewissheit: Österreich zieht wieder in den Krieg! An diesem Tag beschloss eine Mehrheit im parlamentarischen Hauptausschuss, vier Soldaten in die seit Jahren krisengebeutelte Zentralafrikanische Republik zu entsenden.

Doch welchem Zweck dient die Mission? Welche Interessen verfolgt Österreich neuerdings in einer Unruheregion, die hierzulande kaum Beachtung findet?

Die Entscheidung ist aus humanitärer Perspektive von großer Tragweite. Die dafür dringend gebotene Wachsamkeit scheint sich jedoch dieser Tage keinen Weg zu bahnen. Dabei sollten die Alarmglocken schon seit Wochen schrillen. Bereits am 3. Februar berichtete der „Kurier“ unter dem Titel „Klug will Marschbefehl nach Afrika“ vom Besuch des Verteidigungsministers bei seiner niederländischen Amtskollegin. Besprochen wurde dabei die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (Gasp). Seither richtet sich auch der Fokus von Gerald Klug wieder mehr auf Afrika, um die Ursachen für die Flüchtlingsströme einzudämmen und sich – vor welchem Feind auch immer – wirtschaftlich zu schützen.

Weltweite Radikalisierung

Offenkundig sucht Österreich seinen Platz eher im asymmetrischen Kampf der Kulturen, der die Gewaltspirale unablässig nach oben dreht, als durch einen couragierten Einsatz für Deeskalation, Vermittlung und Entmilitarisierung zu einer Lösung globaler Konflikte beizutragen. Es steht außer Streit, dass zunehmende Klimakatastrophen, soziales Elend und allgemeine Perspektivlosigkeit weltweit eine gefährlich um sich greifende Radikalisierung verzweifelter Menschen nach sich ziehen. Wer sich aber dieser Zusammenhänge ernsthaft annehmen will, sollte die Übel bei den Wurzeln packen. Also auch dort, wo etwa auf dem afrikanischen Kontinent die fatalen Folgen der postkolonialen Weltordnung schon allein durch Ignoranz, Desinformation und ausbeuterische Profitabsichten unvermindert fortgeschrieben werden.

Getöse um EZ-Battlegroups

Bis die vier Heeresexperten in Bangui Quartier beziehen, wird in ihrer Heimat vermutlich niemand davon erfahren, dass sich schon seit geraumer Zeit ambitionierte zivile Projekte um eine Versöhnung zwischen Christen und Muslimen bemühen. Es bleibt wohl auch im Verborgenen, warum in der Zentralafrikanischen Republik bis an die Zähne bewaffnete Milizen einander an die Kehle gehen, weshalb sich ehemalige Kolonialmächte mit ihren Rüstungsindustrien die Hände reiben.

70 Jahre nach der Befreiung vom nationalsozialistischen Terrorregime, nach Zerstörung und Krieg trägt Österreich in der Welt umso mehr Verantwortung, deren Besonderheit sich auch in einem außen- und entwicklungspolitischen Selbstverständnis widerspiegeln muss. Dieses aber sollte dem martialischen Getöse zweifelhafter EU-Battlegroups nicht einfach nur blind Gehorsam leisten.

Eine Politik, die auf eine nachhaltige Stärkung von Frieden, Demokratie und Zivilgesellschaften ausgerichtet ist, darf sich in unruhigen Zeiten schon gar nicht mit Militäreinsätzen begnügen, bis der Rechnungshof – wie zuletzt nach dem Tschad-Einsatz – mit der Anzahl der abgefeuerten Schüsse nicht nur die Kosten, sondern auch das Ausmaß der humanitären Versäumnisse ermittelt hat.

Martin Wassermair ist Historiker und Politikwissenschaftler und hat von 2011 bis 2014 in Kamerun bzw. Ruanda gelebt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2015)

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