Die Politik muss den Diskriminierten zur Seite stehen

Zivilgesellschaftliches Engagement kann verbriefte Rechte nicht ersetzen.

Der Neos-Abgeordnete Michael Pock hat in einem Gastkommentar in der „Presse“ (26.3.) anlässlich eines neuen Vorstoßes der SPÖ zur Ausweitung des Diskriminierungsschutzes die Frage gestellt, ob eine Partei der gesamten Gesellschaft tatsächlich eine Wertehaltung „verordnen“ dürfe. Wie es in einer Demokratie der Fall ist, werden Gesetze mit Mehrheit im Parlament beschlossen, und sie regeln damit das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Gesetze beruhen auf Wertehaltungen, und das ist gut so. Sonst wären Parteien überflüssig.

Wenn Politik aufhört, jenen unter die Arme zu greifen, die tagtäglich von Diskriminierung betroffen sind, macht sie einen fatalen Fehler. Schutz vor Diskriminierung ist essenziell für eine demokratische und partizipative Gesellschaft, aber der jetzige Diskriminierungsschutz greift nicht.

Die Neos diskutieren, welche Ziele der Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt verfolge. Der Fall des Cafés Prückel ist ein exzellentes Beispiel für die bestehenden Lücken. Wäre der Kellner homosexuell gewesen und diskriminiert worden, hätte er ein wirksames Instrument gehabt, um sich zu wehren. Umgekehrt funktionierte das nicht, mit bekannten Folgen. Glücklicherweise gab es ein starkes Zeichen der Zivilgesellschaft.

Ein hart umkämpftes Feld

Wir wollen diese Lücke im Diskriminierungsschutz nicht akzeptieren und treten daher seit Jahren für eine Gesetzesänderung ein. Bisher hat die ÖVP das immer zu verhindern gewusst – und ihr kleiner Bruder im Nationalrat stützt diese Position von vorgestern. Die Neos geben vor, für eine offene Gesellschaft einzutreten – doch scheinbar nur, solange das nicht auf Kosten der Besitzenden geht.

So gerät der Diskriminierungsschutz plötzlich in ein Spannungsfeld mit dem Recht auf Eigentum. Tatsächlich ist das „Levelling-up“ eine Form von Eingriff, wie es bei vielen anderen Gesetzen auch der Fall ist. Gesellschaftspolitik ist ein hart umkämpftes Feld und wirkt in viele Bereiche hinein.

Kurz gesagt, beim Diskriminierungsschutz ist es wie mit den Frauenrechten oder der Haltung zur Todesstrafe. Da muss die Politik einfach Stellung beziehen.

Was kann die Zivilgesellschaft?

Warum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gerade hier ein besonderes Problem sein soll, ist völlig unverständlich. Einem Vermieter kann es schließlich egal sein, wer in der Wohnung wohnt, solange die Miete bezahlt wird. Die Wohnung wird nicht homosexuell, und eine Wertminderung wird es auch nicht geben.

Die Vorstellung, allein auf die Zivilgesellschaft zu vertrauen, die sich lautstark auf meine Seite stellt, ist naiv. Nicht jeder Mensch hat die Möglichkeit, bei jeglicher Diskriminierung eine Protestdemonstration oder einen medialen Aufschrei zu organisieren. Hat sich seit der Prückel-Demo denn etwas geändert? Werden lesbische Paare jetzt weniger diskriminiert? Dürfen Homosexuelle schon heiraten?

Zivilgesellschaftliches Engagement kann verbriefte Rechte nicht ersetzen. Sie sind das Druckmittel, um gesellschaftlichen Wandel zu unterstützen. Ich will nicht warten, bis die Gesellschaft sich von selbst so weiterentwickelt hat, dass es diesen Schutz nicht mehr braucht. Sonst hätten wir wohl heute noch kein Frauenwahlrecht, und Homosexualität wäre noch immer verboten.

Hätten sich politische Parteien in der Vergangenheit nicht für die vermeintlich anderen eingesetzt, würden wir wohl in einem 21.Jahrhundert leben, in dem es wie im Mittelalter zuginge.

Bakri Hallak (*1985 in Tulln) isttellvertretender Vorsitzender der Sozialdemokratischen Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellenorganisation Wien (SoHo).

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2015)

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