Werben für neues Bild vom Alter

Die Österreicher brauchen eine andere Einstellung zum Leben in der Pension. Eine Kampagne könnte da helfen.

In Medienberichten wird gleichlautend immer wieder die frohe Botschaft hinausposaunt, dass wir alle älter werden und sich dadurch neue Chancen für uns eröffnen. Befragt man aber die Bevölkerung, und sieht man sich die Umfragen an, fehlt der Glaube an die Richtigkeit dieser Frohbotschaft. Vier von zehn Berufstätigen machen sich überhaupt nicht oder eher weniger Gedanken über ihr Leben in der Pension; nur jeder Dritte denkt daran, bezahlt oder ehrenamtlich nach der Pensionierung zu arbeiten. Dabei verbringen viele Menschen fast ein Drittel ihres Lebens „in Pension“.

Woher kommen die Vorurteile? Vermutlich haben die Menschen Bilder vor sich, wie der eigene Groß- oder Urgroßvater alt wurde. Die Lebenserwartung ist aber seit dieser Zeit so stark gestiegen, dass das alte Bild vom Alter nicht mehr stimmt. Alle 24Stunden steigt unsere durchschnittliche Lebenserwartung um sechs Stunden.

Genau darin liegen die Chancen, die das Älterwerden bietet: Es gibt nicht nur drei Lebensphasen (Lernen, Arbeiten, Ausruhen), sondern aufgrund der demografischen Entwicklung vier. Zwischen Berufstätigkeit und echtem Ruhestand eröffnet sich die Möglichkeit, das zu tun, was man früher nicht tun durfte oder nicht tun konnte. Es braucht ein neues Denken und die Bereitschaft zu radikalen Brüchen. Vielleicht ist da ein Blick nach Schweden hilfreich.

Das schwedische Modell

Ab den 1980er-Jahren erkannten immer mehr Menschen in Schweden, dass das Pensionssystem so nicht länger funktionieren würde. Die Konsequenz: Wer früher zu arbeiten aufhört, bekommt automatisch eine niedrigere Pension, weil die erwartete Pensionsdauer steigt und weniger eingezahlt wurde. Nachhaltig ist das schwedische System, weil es sich automatisch an sich ändernde demografische und ökonomische Entwicklungen anpasst. Weil die Pension von der Lebenserwartung abhängt, ist das Ergebnis für alle Generationen fair. Die österreichische Regierungsspitze erklärte nach Präsentation des neuen Steuerkonzepts, dass nun die Zeit für Maßnahmen zur Gestaltung der Zukunft Österreichs gekommen sei. Jetzt müsse man das Pensionssystem, die Verwaltungsreform etc. angehen. Das aber braucht eine Änderung des Denkens aller Bürger.

Eine Kampagne wie damals

Aber nur mittels einer Kampagne ließe sich das Denken der Österreicher verändern; eine Kampagne, wie es sie ähnlich schon vor der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs 1994 gegeben hat. Wie könnte eine solche Kampagne aussehen:

In jeder Gemeinde Österreichs finden Vorträge und Diskussionen zum Thema „Neues Bild vom Alter“ statt. Statements bekannter Persönlichkeiten, die ihre eigene Lebensentscheidung vermitteln, unterstützen den Start. Experten und Moderatoren werden auf ihre Aufgabe vorbereitet, damit es in den Gemeinden Diskussionen gibt.

Ehrenamtliche Mitarbeiter aus Organisationen der Seniorenvertreter stellen sich in diesen Dienst. Sprecher dieser Gemeinde-Aktivitäten bündeln ihre Erfahrungen im Bezirk. Regionale und überregionale Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sender berichten über die Aktionen und vermitteln weitere Argumente. Landesweite PR-Aktivitäten bieten visuelle Unterstützung mit Plakaten und Fernsehspots (beispielsweise zu Thesen wie „Länger arbeiten oder kürzer leben?“).

Sechs Monate später wird Österreich anders denken. Und es wird für die verantwortlichen Politiker wesentlich leichter sein, die dringend notwendigen Systemkorrekturen vorzunehmen.

Professor Dr. Leopold Stieger (* 1939 in Wien) war jahrzehntelang in der Personalentwicklung tätig und gründete „seniors4success.at“, eine Plattform für die ältere Generation.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2015)

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