Im Orkan der weltweiten Währungskrisen

In den gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrisen in aller Welt wirkt der Euro wie ein Schutzschirm. Er spielt in Europa eine zentrale Rolle als stabile Ankerwährung, an die auch viele andere Währungen gebunden sind.

Weltweit sind die Wechselkurse wieder volatiler geworden. Es häuft sich die Zahl von starken Wechselkursschwankungen. In einigen Fällen ist es zu Währungskrisen mit extremen Ausschlägen der Wechselkurse gekommen – auch in Europa: Russland, die Ukraine werteten massiv ab, die Schweiz wertete massiv auf, mit negativen Wirkungen auf die jeweilige Volkswirtschaft. Andere Länder wie beispielsweise Dänemark müssen mit massiven Interventionen, unkonventionellen Maßnahmen und Negativzinsen ihre Wechselkurse verteidigen.

Die Währungskrisen führen zu negativen Konsequenzen für die jeweilige Volkswirtschaft. Dies, da sie die wirtschaftliche Unsicherheit erhöhen und viele Länder zur Verteidigung ihrer Währungen die Zinsen hochhalten müssen. Die Abwertungsländer gewinnen zwar kurzfristig an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, diese geht aber durch die von höheren Importpreisen verursachte Inflation bald wieder verloren.

Negative Effekte

Durch die hohen Zinsen, die Abwertungsländer zur Verteidigung ihres Wechselkurses einsetzen müssen, leiden insbesondere die Investitionen und das Wachstum. Die Aufwertungsländer verlieren die internationale Wettbewerbsfähigkeit und kämpfen mit Deflation, Rezession und steigender Arbeitslosigkeit. Aber auch andere Volkswirtschaften, die mit von Währungskrisen betroffenen Ländern verflochten sind, bekommen die erhöhte Wechselkursunsicherheit sowie das in diesen Ländern im Allgemeinen schwächere Wirtschaftswachstum negativ zu spüren. Sogar, wenn sie über verstärkte Exporte in die Aufwertungsländer gewinnen sollten, kann es zu negativen Effekten kommen.

Für Österreich trat dieser Fall für die Franken-Kredit-Nehmer ein, deren Verschuldung und Zinszahlungen durch die Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro massiv anstiegen. Es ist durchaus möglich, dass diese negativen Effekte die für die österreichische Volkswirtschaft positiven Effekte der Franken-Aufwertung – mehr Exporte, mehr Einkäufe von Schweizern in Österreich, Österreich wird als Wirtschaftsstandort gegenüber der Schweiz attraktiver – überkompensieren.

Finanzkrisen werden seit dem Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems mit seinem stark regulierten Finanzsystem 1971 wieder häufiger, wobei Währungskrisen die häufigsten Finanzkrisen sind. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat festgestellt, dass es von 1970 bis 2011 weltweit 218 Währungskrisen (mit einer dramatischen Abwertung meist verbunden mit spekulativen Attacken auf den Wechselkurs), 147 Bankenkrisen (eine systemische Krise ist nicht nur der Zusammenbruch einzelner Banken, sondern eine Beeinträchtigung des gesamten Bankensystems) und 66 Staatsschuldenkrisen (wenn ein Staat seine Schulden nicht mehr finanzieren kann) gab.

Nicht ob, sondern wann

All diese Krisen führten zu schweren wirtschaftlichen Verlusten, insbesondere Wachstumsverlusten, dem Anstieg der Staatsschulden und erhöhter Arbeitslosigkeit.

Schon 2003 habe ich in einem Beitrag für den Sammelband „Alternativen zum Neoliberalismus im Zeitalter der Globalisierung“ festgehalten, dass neoliberale Reformen wie Deregulierung des Finanzsektors, Liberalisierung des Kapitalverkehrs verbunden mit großen Kapitalflüssen, Finanzkrisen verursachen. Die Umkehr der Kapitalflüsse verschlechtert die makroökonomischen Bedingungen, nicht die wirtschaftspolitischen Fehler. „Die Finanzkrisen treten insbesondere in Form von Währungs- und Bankenkrisen auf. Die Frage ist nicht, ob, sondern wann die nächste Krise, der nächste Crash kommt und wie wir darauf vorbereitet sind.“

In der aktuellen Diskussion wird sehr oft vergessen, dass es auch in der EU bis zur Schaffung des Euro 1999 immer wieder Probleme mit Währungskrisen und Wechselkursschwankungen gab. Am dramatischsten waren die Währungskrisen im Europäischen Währungssystem (EWS) von 1992 bis 1995. In der EWS-Krise wurde gegen fast alle Währungen spekuliert. Es begann mit dem britischen Pfund, das trotz Interventionen und einer Zinserhöhung auf 15 Prozent stark abwerten und das EWS verlassen musste. Dann wurde immer das nächstschwächere Land angegriffen. Damals wurden beispielsweise auch Frankreich und Österreich mit spekulativen Attacken auf ihre Währungen angegriffen.

Die Attacke auf den Schilling

Wie die Spekulation vom August 1993 gegen den Schilling zeigte, sind auch gute Fundamentaldaten, eine hohe Glaubwürdigkeit sowie hohe Währungsreserven keine Garantie dafür, dass nicht gegen eine Währung spekuliert wird. Durch die entschlossene Haltung der Oesterreichischen Nationalbank bei der Verteidigung des Schilling konnte die Spekulation damals aber rasch gestoppt werden.

Die Einführung des Euro beendete die Gefahr von Währungskrisen für die Länder des Euroraums. Der Euro schützt die Euroländer vor Währungskrisen, die die häufigsten Krisen sind, nicht jedoch vor Bankenkrisen. Dagegen soll die Bankenunion helfen. Gegen Staatsschuldenkrisen wiederum soll der gestärkte EU-Stabilitäts- und Wachstumspakt vorbeugen. Der Euro wirkt damit als Schutzschirm in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.

Mit dem Euro entfallen teure Maßnahmen zur Absicherung von Wechselkursrisken, und der Binnenhandel im Euroraum kann sich ungestört von Devisenmarktturbulenzen und Wechselkursschwankungen entwickeln. Der Großteil des Handels Österreichs erfolgt innerhalb des gemeinsamen Währungsraums.

Die zweite Weltwährung

Der Euro hat sich als stabile internationale Währung etabliert und ist nach dem Dollar die zweite Weltwährung. Der Euro wird zunehmend als Anker-, Reserve-, Anlage- und Transaktionswährung verwendet. Er ist heute mit einem Anteil von etwa einem Viertel auch die zweitwichtigste Reservewährung nach dem Dollar.

Der Euro spielt vor allem in Europa eine zentrale Rolle als stabile Ankerwährung, an die viele andere Währungen gebunden sind. Er wird insbesondere in Zentral- und in Osteuropa weit verwendet. Er hat damit die Rolle einer regionalen Reservewährung in Europa übernommen.

Der Euroraum wächst und umfasst seit dem Beitritt Litauens am 1.Jänner 2015 bereits 19 Länder mit über 300 Millionen Menschen. Diese profitieren von einer weltweit verbreiteten, international akzeptierten und stabilen Währung. Der Euro stärkt auch den Einfluss Europas weltweit.

Die gegenwärtige Krise im Euroraum ist daher nicht, wie verschiedentlich dargestellt wird, eine Krise des Euro, sondern einige Mitgliedsländer sind in den Strudel von Banken- und Staatsschuldenkrisen geraten.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR


Mag. Franz Nauschnigg
ist seit 2000 Leiter der Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Er ist Mitglied in internationalen Gremien, z.B. der Gruppe der EZB-Ratskoordinatoren, dem International Relations Committee des Eurosystems/ESZB. Publikationen zu europäischer Integration, Währungspolitik, Kapitalverkehr, Finanzkrise. [ Privat ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2015)

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