Felix Austria: Die Zukunft gehört den Pensionen

Österreichs Pensionssystem ist noch nicht auf die Alterung vorbereitet.

Alljährlich stellt der Strategiebericht der Bundesregierung die mittelfristigen Budgetschwerpunkte und damit die Strategie dar. Nicht erst heuer zeigt sich dabei eine große Kluft zwischen den geplanten Zahlen und dem Bericht selbst.

Seite 8 enthält zentrale Aussagen: In Verbindung mit Pensions- und Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre und einer Fortsetzung der strukturellen Reformen in Verwaltung, Förderungen, Arbeitsmarkt und Pensionen wird die finanzielle Nachhaltigkeit abgesichert. Gleichzeitig werden im Budget wichtige Weichenstellungen in Zukunftsbereichen wie Bildung, Forschung, Wissenschaft und Infrastruktur vorgenommen.

Die Zahlen des Strategieberichts sprechen eine andere Sprache: Zunächst wurden die für 2014 geplanten Pensionsausgaben um 234Millionen Euro überschritten. Mittelfristig wird es noch viel grimmiger: Demnach steigen die Ausgaben für Pensionen im Zeitraum von 2013 bis 2019 um fast 5,5 Milliarden Euro, also um dreimal so viel wie für die Zukunftsbereiche Familie, Jugend, Wissenschaft, Forschung, Bildung, Frauen in Summe!

Die Pensionen fressen einen immer größeren Anteil am Budget: Allein von 2013 bis 2019 steigt der Anteil der Pensionsausgaben an den gesamten Ausgaben von 24,4 auf 29,7 Prozent. Ab 2020 wird dieser Anstieg noch stärker, weil dann die starken Baby-Boomer-Jahrgänge von Nettozahlern zu Pensionsempfängern werden.

Dramatische Entwicklung

Der Strategiebericht bildet diese dramatische Entwicklung ab, kommentiert sie aber mit keinem Wort. Im Kapitel Pensionsversicherung setzt man sich gar nicht erst das Ziel der Kostendämpfung oder Nachhaltigkeit, sondern will nur das faktische Pensionsantrittsalter anheben. Hintergrund: Dieses Ziel lässt sich ohne Schmerzen durch statistische Tricks erreichen. Bis 2013 wurden unter 50-Jährige mit befristeter Invaliditätspension als Pensionisten gezählt. Nun gehen sie als Bezieher von Reha- und Umschulungsgeld nicht mehr in die Statistik ein, auch, wenn sie das Pensionsbudget weiter belasten.

Statistische Verschönerungen

Die einzige konkrete Pensionsmaßnahme im Strategiebericht, die Teilpension, erfüllt denselben statistischen Zweck. Durch sie sollen Personen künftig etwa für die Zeit zwischen 62 und 65 Jahren ihre Arbeitszeit verkürzen können. Sie erhalten aus dem Budget einen teilweisen Lohnausgleich, ab 65 Jahren erhalten sie dieselbe Pension, als ob sie Vollzeit bis 65 gearbeitet hätten. Echte Budgeteinsparungen sind daraus nicht zu erwarten. Entscheidend ist, dass die „Teilpensionisten“ nicht zu den Pensionisten zählen und somit das faktische Pensionsantrittsalter statistisch ein bisschen steigt.

Alle Kapitel im Strategiebericht enthalten Gleichstellungsziele. Erwiesen ist, dass das niedrigere Pensionsantrittsalter für Frauen die Pensionen und Einkommen von Frauen reduziert. Welches Ziel liegt also näher als eine raschere Angleichung des Pensionsantrittsalters?

Just hier lässt der Wille zur Gleichstellung aus: Der Strategiebericht fordert lediglich eine „vertiefende Gender-Analyse“. Aha. Andere konkrete Pensionsmaßnahmen sind dem Strategiebericht nicht zu entnehmen.

Wurzel des Problems ist ein Pensionssystem, das nicht auf die Alterung vorbereitet ist. Die notwendigen Reformen liegen auf der Hand: rasche Angleichung des Frauenpensionsalters, Schließen von Frühpensionsschlupflöchern, ein Nachhaltigkeitsautomatismus. Die meisten EU-Staaten haben diese Maßnahmen bereits getroffen. Der Strategiebericht offenbart hingegen nur eine Strategie: Die Zukunft gehört den Pensionen.

Dr. Rolf Gleißner ist stellvertretender Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer Österreich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2015)

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