Bankenregulierung: Gebt uns bitte eine Atempause!

Österreichs Banken sehen sich mit Regulierungstsunami konfrontiert.

Mit einem Plädoyer gegen zu viel Bankenregulierung gewinnt man als Banker keinen Popularitätswettbewerb. Schon gar nicht in Zeiten des Hypo-Untersuchungsausschusses. Mittlerweile wächst aber die Regulierungsflut, die in den vergangenen Jahren über die Banken hereingebrochen ist, zu einem regelrechten Tsunami an. Wenn nicht schleunigst ein Umdenken stattfindet, wird das Gegenteil dessen erreicht, was eigentlich angestrebt ist: Die Banken werden nicht stabiler, sondern schwächer werden.

Der Ruf nach einer besseren Bankenregulierung ist natürlich berechtigt. Künftig darf es keine Rettung von Banken durch die Steuerzahler geben. Die Kreditvergabe, also das Kerngeschäft der Banken, ist immer mit Risiko behaftet. Ohne das Eingehen dieser Risken kann weder der private Konsum noch unternehmerisches Handeln gefördert werden.

Die Banken müssen diese Risken managen und dafür sorgen, dass sie genügend Eigenmittel besitzen, falls Risken schlagend werden. Im schlimmsten Fall müssen die Aktionäre und Gläubiger diese Risken tragen und nicht die Steuerzahler. Daher ist es richtig, dass die Banken höhere Eigenkapitalpuffer aufbauen müssen und dass sich die Aufsicht sehr genau ansieht, wie es um die internen Risikosysteme der Banken bestellt ist.

Zwei Sonderbelastungen

Was die Banken aber zurzeit erleben, ist ein Wettlauf der verschiedenen Regulatoren unter dem Motto „Viel hilft viel“. Die Banken müssen immer mehr Mitarbeiter einstellen, deren einzige Aufgabe darin besteht, in immer kürzeren Fristen immer mehr Excel-Sheets auszufüllen und an die diversen Regulierungsbehörden zu liefern. Die Zahl der Mitarbeiter, die sich noch mit den Bedürfnissen der Kunden auseinandersetzen können, nimmt dagegen ab. Über diese Entwicklung stöhnen mehr oder weniger alle europäischen Banken.

Die österreichischen Banken sind leider gleich zwei Sonderbelastungen ausgesetzt: Der im europäischen Vergleich exorbitant hohen Bankensteuer sowie der völlig undifferenzierten Betrachtung ihrer Engagements in Zentral- und Osteuropa (CEE).

Systematische Schwächung

Die Bankensteuer schwächt die Substanz der Banken – und zwar derjenigen, die eben keinen Schaden für die Steuerzahler verursacht haben. Den Banken fehlen dadurch die Mittel, die sie zur Stärkung ihrer Eigenmittel, zur Kreditvergabe und zur Investition in digitale Geschäftsmodelle benötigen. Während man auf der einen Seite die österreichischen Banken also systematisch schwächt, fordern auf der anderen Seite die nationalen Aufsichtsbehörden immer höhere Eigenkapitalpuffer.

Begründet werden diese höheren Puffer, die über die Anforderungen der Europäischen Zentralbank deutlich hinausgehen, mit den Risken der österreichischen Banken in Mittel- und Osteuropa. Dabei wird außer Acht gelassen, dass das kein einheitlicher Wirtschaftsraum ist. Genauso wenig wie man die Länder Westeuropas in einen Topf werfen kann, kann man das mit den Ländern Osteuropas tun. Länder wie Polen, Tschechien oder die Slowakei sind keine Schwellenländer mehr, sondern hoch entwickelte Volkswirtschaften.

Es ist dringend notwendig, dass die Banken nun eine regulatorische Atempause bekommen. Diese Zeit sollte genutzt werden, um die in den vergangenen Jahren eingeführten Regulierungsvorschriften auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen und auf europäischer Ebene zu koordinieren. Für die Bankensteuer kann es nur ein Urteil geben: Sie gehört abgeschafft.

Dr. Karl Sevelda (*1950) ist studierter Wirtschaftswissenschaftler. Seit 1998 bei der Raiffeisen Zentralbank Österreich, seit Juni 2013 Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Bank International.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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