Wie Phönix aus der Asche

Zur aktuellen Renaissance des IWF und seiner Rolle in Zentral- und Osteuropa.

Über Jahre hinweg hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) darunter gelitten, dass seine Funktion als Kreditgeber im Falle von Zahlungsbilanzkrisen zunehmend weniger in Anspruch genommen wurde. Die Hochkonjunktur der Weltwirtschaft, die Bereitwilligkeit privater Investoren, in den aufstrebenden Volkswirtschaften zu investieren, und die hohen Leistungsbilanzüberschüsse und Währungsreserven Asiens und Lateinamerikas bescherten dem IWF eine Nachfrageflaute und damit auch ein veritables Budgetproblem. Angesichts der globalen Krise aber hat sich die Lage völlig gedreht.

Als vor zwei Wochen die G20-Runde in London beschloss, die verfügbaren Finanzmittel für den IWF auf 750 Mrd.$ zu erhöhen, war klar, dass der IWF in den kommenden Jahren wieder zur zentralen Überwachungs-, Koordinations- und Finanzierungsstelle der Weltwirtschaft werden würde. Mit dieser beachtlichen Mittelaufstockung und der Schaffung einer neuen, unmittelbar einsetzbaren Kreditlinie für all jene Länder, die trotz solider Wirtschaftspolitik unverschuldet in Schwierigkeiten geraten, sollte es gelingen, die Zahlungsbilanzprobleme diverser Länder wirkungsvoll zu bekämpfen.

Der Mechanismus zur Bereitstellung der IWF-Finanzmittel funktioniert – etwas vereinfacht gesprochen – folgendermaßen: Die 185 Mitgliedsländer stellen dem IWF durch Quoten und Kredite Finanzmittel zur Verfügung. Die Höhe der Quote, die sowohl Einzahlung, Stimmrechte und potenzielle Kredithöhe regelt, richtet sich nach Wirtschaftsstärke, Offenheit und Währungsreserven des jeweiligen Landes. Außerdem können Mitgliedstaaten dem IWF durch Kreditvereinbarungen einen Teil ihrer Währungsreserven zur Verfügung stellen. Bei der Kreditvergabe im Rahmen eines Beistandsabkommens verbindet der Fonds den Kredit mit Auflagen an die Wirtschaftspolitik des jeweiligen Landes (Konditionalität). Durch die IWF-Hilfe fließt dem Land die dringend benötigte Liquidität in konvertibler Währung zu. Diese Mittel können dann für Güterimporte ebenso verwendet werden wie für die Tilgung von fälligen Anleihen bzw. Krediten in ausländischer Währung oder sogar – wie im Fall Ungarns – zur Rekapitalisierung der Banken. Dadurch sollen die Bedienung der Auslandsschuld erleichtert, die Währung gestützt, die Anpassungsrezession verkraftbar und der Staatsbankrott verhindert werden.

Der Ukraine etwa hat der IWF im Oktober 2008 einen zweijährigen Kredit in der Höhe von 16,4 Mrd.$ , dem Achtfachen ihrer Quote, eingeräumt. 4,5 Mrd.$ wurden als erste Tranche unmittelbar nach Abschluss der Vereinbarung freigegeben. Die Auszahlung weiterer Mittel war damals an die Verabschiedung eines ausgeglichenen Budgets, die Eindämmung des Geldmengenwachstums und an verschiedene Reformen im Finanzsektor gebunden. Nachdem die Ukraine bei der Umsetzung der Bedingungen bisher säumig war, wurde auch die Auszahlung der zweiten Tranche des Kredits verzögert. Mittlerweile hat der IWF unter dem Druck der Entwicklungen seine Position etwas zurückgenommen und ist zu einer Auszahlung bereit.

Nicht ein und derselbe Risikotopf

Die vorgenommene Aufstockung der IWF-Mittel auf 750 Mrd. $ ist wichtig und beruhigend zugleich. Das beachtliche finanzielle Löschpotenzial, das die weltweite Staatengemeinschaft dem IWF zugebilligt hat, erleichtert die Krisenbewältigung in Zentral- und Osteuropa. Seriöse Schätzungen beziffern den Finanzierungsbedarf der Region (ohne Russland und Türkei) heuer mit 100 Mrd.$. Neben der Ukraine haben Ungarn, Lettland, Serbien und Rumänien Beistandsabkommen mit dem IWF abgeschlossen; Polen hat sich um eine flexible Kreditlinie in der Höhe von 20,5 Mrd.$ beworben.

Im Übrigen sollte man den Fehler vermeiden, die Länder Zentral- und Osteuropas in ein und denselben Risikotopf zu werfen und von einem Klumpenrisiko „Osteuropa“ zu sprechen. Während die Situation in der Ukraine äußerst diffizil ist, sind Länder wie Tschechien, die Slowakei oder Slowenien über eine ganze Reihe westeuropäischer Staaten zu stellen. Völlig unfundiert und unverständlich ist die Meinung, die jüngst Paul Krugman geäußert hat, dass in Österreich aufgrund des Osteuropa-Exposures ein Staatsbankrott wahrscheinlich sei. Nur am Rande angemerkt: Das Kreditvolumen österreichischer Banken in Osteuropa in der Höhe von 280 Mrd.$, von dem gut 70% auf EU-Mitgliedstaaten entfallen, nimmt sich im Vergleich zum Kreditvolumen von 1290 Mrd.$, das Schweizer Banken in den Epizentren der aktuellen Finanzkrise, USA und Großbritannien, halten, eher bescheiden aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.05.2009)

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