Die Rolle der Außenpolitik im US-Wahlkampf

Fragen der internationalen Politik haben im Kampf um die US-Präsidentschaft normalerweise eine nachgeordnete Bedeutung. Bei der Wahl 2016 werden die Republikaner sie aufgreifen, um den Demokraten zu schaden.

Wen die US-Wähler zum neuen Präsidenten wählen werden, können wir nicht wissen. Aber sicher ist, dass diese Wahl für die ganze Welt weitreichende Folgen haben wird – zum Besseren oder zum Schlechteren. Mehr als alles andere spiegelt das die immer noch sehr große Macht der USA wider. Mit großer Wahrscheinlichkeit sieht sich der nächste Präsident einer sehr unruhigen Welt gegenüber. Wofür er oder sie sich entscheidet und wie er oder sie die Entscheidungen umsetzt, ist für die Menschen überall von größter Bedeutung.

Dennoch ist schwer absehbar, welche Rolle die Außenpolitik für den nächsten US-Präsidenten spielen wird. Bis zur Wahl im Herbst 2016 sind es immer noch 17 Monate. Bis dahin kann und wird noch viel passieren.

Außenpolitische Reizthemen

Zwei unterschiedliche, aber miteinander verbundene politische Prozesse werden im kommenden Jahr ablaufen – die Nominierungsparteitage der Demokraten und Republikaner. Bei den Demokraten hat die frühere Außenministerin Hillary Clinton im Moment die besten Karten, auch wenn ihre Nominierung noch keineswegs sicher ist. Jedenfalls aber werden außenpolitische Themen bei der Kür des demokratischen Bewerbers nur eine geringe Rolle spielen. Die Fragen, die die an den Vorwahlen teilnehmenden Wähler am meisten interessieren, sind innen- und wirtschaftspolitischer Natur.

Das republikanische Kandidatenlager ist viel überlaufener und unübersichtlicher. Hier ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer, dass die Außenpolitik bei der Kür des Kandidaten eine große Rolle spielen wird. Unter Präsident Barack Obama hat sich die Wirtschaft erholt, was sie zu einem weniger attraktiven politischen Angriffsziel macht. Die weltweite Unruhe dagegen gibt den Republikanern mehr Möglichkeiten, Obama und die Demokraten zu attackieren.

Dennoch gibt es ein paar außenpolitische Themen, die in beiden Parteien die Diskussionen bestimmen werden. Eines davon ist der Welthandel. Obama bemüht sich um die Trade Promotion Authority, die Berechtigung zur Förderung des Handels. Sie ist eine notwendige Voraussetzung, um die Unterstützung des Kongresses für die Transpazifische Partnerschaft zu bekommen, die Handelsbarrieren zwischen den USA und den elf anderen Anrainerstaaten des Pazifik abbauen soll. Die TPP wird von vielen – aber nicht allen – republikanischen Kandidaten unterstützt. Auf der demokratischen Seite ist das Abkommen weniger beliebt. Deshalb ist es für demokratische Kandidaten tendenziell riskant, sich dafür einzusetzen.

Ein zweites Thema, das die Nominierungsdebatten beider Parteien mit Sicherheit bestimmen wird, sind der Iran und die internationalen Verhandlungen über die Eindämmung seines Atomprogramms.

Harte republikanische Rhetorik

Sicher werden viele republikanische Kandidaten jegliches Abkommen mit dem Iran kritisch sehen. Sie hinterfragen, welche Sanktionen zu welchem Zeitpunkt aufgehoben werden, unter welchen Bedingungen die Einhaltung der Vertragsverpflichtungen kontrolliert wird und was nach Ablauf der Fristen zur Begrenzung des iranischen Nuklearprogramms geschehen wird. Die demokratischen Kandidaten werden den Verhandlungsergebnissen wahrscheinlich eher zustimmen.

Ein drittes Thema ist der Klimawandel. Papst Franziskus hat dazu gerade eine große Stellungnahme abgegeben und damit das Thema in den Vordergrund gerückt. Auch durch die Vorbereitungen zur Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen im Dezember in Paris wird das Thema in den Nachrichten präsent bleiben. Weitreichende amerikanische Verpflichtungen dürften eher Unterstützung von Demokraten als von Republikanern bekommen.

Ein vierter Themenblock dreht sich um den Nahen und Mittleren Osten. An einer groß angelegten Militärintervention gegen den Islamischen Staat im Irak oder in Syrien haben weder Demokraten noch Republikaner ein starkes Interesse. Aber darüber, was getan und was nicht getan werden sollte, werden heftige Diskussionen – und massive Profilierungsversuche – stattfinden.

Und dann sind da noch all die anderen Themen – vom neuen Selbstbewusstsein der Chinesen bis hin zum russischen Revanchismus in der Ukraine. Insbesondere auf der republikanischen Seite ist zu diesen Punkten eine harte Rhetorik zu erwarten.

„Butter oder Kanonen?“

Es bleibt zu hoffen, dass die Nominierungsverfahren der Parteien zu Einsichten darüber führen, wie die erfolgreichen Kandidaten drei große Fragen beantworten werden: Die erste dreht sich darum, welchen absoluten und relativen Stellenwert die Außenpolitik für den jeweiligen Kandidaten hat. Wenn man sich die nationale Sicherheit als zwei Seiten einer Medaille vorstellt, mit der Außenpolitik auf der einen Seite und der Innenpolitik auf der anderen – mit welcher Wahrscheinlichkeit werden die beiden unter dem nächsten Präsidenten jeweils oben landen? Dies ist die klassische Frage nach „Butter oder Kanonen“: Wie werden Ressourcen verteilt, ob es nun Dollars sind oder die Aufmerksamkeit des Präsidenten?

Die zweite Frage ist die nach Zweck und Prioritäten der Außenpolitik. Der realistische Ansatz in den internationalen Beziehungen setzt den Schwerpunkt auf die Beeinflussung der Außenpolitik, weniger der Innenpolitik anderer Länder. Die alternative Tradition dazu verhält sich genau umgekehrt, sie hält die Innenpolitik der anderen für das Wichtigste – ob aus moralischen Gründen oder aus der Annahme heraus, das Verhalten einer Regierung in der Innenpolitik beeinflusse auch ihre Außenpolitik.

Hoffen auf klare Antworten

Laut dieser idealistischen Sichtweise behandeln demokratische Länder, die ihre Bürger respektvoll behandeln, auch die Bürger anderer Länder mit Respekt. Das Problem ist natürlich, dass die Beeinflussung der Entwicklung anderer Gesellschaften normalerweise ein schwieriges, langfristiges Vorhaben ist. Währenddessen müssen dringende globale Probleme angegangen werden, die manchmal auch die Rückendeckung für unliebsame Regime erfordern.

Die letzte Frage betrifft den Ansatz, dem die Kandidaten bei der Umsetzung der Außenpolitik folgen. Wo zwischen Unilateralismus und Multilateralismus werden sie sich bewegen und zu welchen Mitteln – von Diplomatie über Sanktionen hin zu Geheimdienstoperationen und Militär – werden sie am häufigsten greifen?

Im Laufe des Wahlkampfs sollten die Antworten auf diese Fragen klarer werden. Dann können die US-Bürger besser einschätzen, wen sie wählen wollen, und die Menschen in aller Welt bekommen einen besseren Eindruck davon, was sie im Jänner 2017 erwartet, wenn der 45. US-Präsident sein Amt antreten wird.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate, 2015.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Richard N. Haass
(* 1951 in Brooklyn) war Direktor der Planungsabteilung im US-Außenamt und Mitarbeiter des seinerzeitigen Außenministers Colin Powell. Er hatte auch Posten im Pentagon und im Senat inne. Seit Juli 2003 ist er Präsident des Council on Foreign Relations. Verfasser zahlreicher Bücher, zuletzt: „Foreign Policy Begins at Home: The Case for Putting Americas House in Order“. [ Project Syndicate]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2015)

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