Der Geschäftssozialist im Renner-Institut

Zeichnung: Peter Kufner
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Alfred Gusenbauers Tätigkeit als Lobbyist für den kasachischen Diktator Nasarbajew untergräbt den letzten Rest von Glaubwürdigkeit der SPÖ. Bei gestandenen Genossen kann da nur Wehmut aufkommen – oder Zorn.

Von ihren Anfängen an ist die SPÖ angetreten als die Partei der Guten, die stets nur das Bessere will. Das konnte nie ganz erfüllt werden, war wohl angesichts der eigennützigen Natur des Menschen ein nie erreichbares Ziel. Spätestens seit Alfred Gusenbauers Wirken ist dieser Anspruch völlig obsolet.

Gusenbauer im Sold des kasachischen Despoten Nasarbajew ist mit allen Grundsätzen, die die Sozialdemokratie im Lauf ihres Bestehens gepredigt hat, unvereinbar. In den Veröffentlichungen der Nachrichtenmagazine „Spiegel“ und „Profil“ über Gusenbauer offenbaren sich eine unglaubliche Egomanie und Gier.

Die Verlockungen des Geldes

Besonders irritierend ist, dass Gusenbauer nicht als reine Privatperson handelt, sondern noch immer Präsident des Renner-Instituts ist. Parteiakademien sollten eigentlich das geistige Rüstzeug einer Partei liefern und die Funktionäre schulen. Dass Gusenbauer seinen Briefverkehr als Lobbyist eines Diktators mit dem Briefkopf als Präsident des Renner-Instituts abwickelt, sollte gestandenen Genossen die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Dass die Verlockungen des großen Geldes auch vor der Sozialdemokratie nicht haltmachen, erkannte schon 1911 der Soziologe Robert Michels in seinem Klassiker „Soziologie des Parteiwesens“: „Der Regierung gewordene Sozialismus bietet eine große Anziehungskraft für parasitäre Naturen“, heißt es da.

Wo immer Genossenschaften, Gemeinden und Banken in die Hände der Arbeiterpartei fielen, mischten sich unter die idealistischen Funktionäre immer auch „Geschäftssozialisten“, die bar jeder sozialistischen Kenntnisse und Herzensneigungen seien, stellte Michels nüchtern fest. Was hätte er wohl geschrieben, hätte er Alfred Gusenbauer gekannt?

Bei seinen Versuchen, bekannte Politiker in das Lobby-Team für Nasarbajew zu bringen, ging Gusenbauer nicht zimperlich vor. Der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder wollte zuerst mittun, überlegte es sich dann aber. Doch Gusenbauer ließ nicht locker. 400.000 Euro Jahressold wollen schließlich verdient sein.

Bei einem Telefonanruf in Schröders Büro kam Gusenbauer an Schröders Frau. Ihre schriftliche Schilderung, in der deutschen Zeitung „Die Welt“ abgedruckt, hat es in sich: „Zwischen mir und Herrn Gusenbauer kam es zu lautstarken Auseinandersetzungen, da er nicht akzeptieren wollte, dass mein Mann aus grundsätzlichen Erwägungen nicht auf das vorliegenden Angebot eingehen wollte. Herr Gusenbauer warf mir vor, ich würde mich in Angelegenheiten einmischen, von denen ich nichts verstünde. Ich habe ihm sehr deutlich gemacht, dass auch ein ehemaliger Bundeskanzler nicht so mit mir sprechen dürfe und wir mit ihm nichts mehr zu tun haben wollten.“

Karriere geht auch ohne Moral

Diese Aussage von Frau Schröder-Köpf (Journalistin und Abgeordnete in Nordrhein-Westfalen) offenbart nicht nur Gusenbauers Arroganz, sondern auch sein schlechtes Benehmen.

Es ist viele Jahre her, da habe ich einen SPÖ-Abgeordneten mit einer unkorrekten Handlungsweise der SPÖ konfrontiert. Seine Antwort: „Die Schwarzen machen es genauso!“ Meinen Einwand, dass die Sozialdemokratie mit anderen Grundsätzen angetreten sei, konterte er: „Du bist ja ein Moralist!“

Dieser Abgeordnete machte dann in der SPÖ eine lange Karriere. Offenbar kommt man ohne Moral ziemlich weit. Dass es in anderen Parteien auch so ist oder sogar noch schlimmer, soll hier nicht bestritten werden. Anspruch und Wirklichkeit sollten aber nicht soweit auseinanderklaffen wie beim Präsidenten der SPÖ-Akademie, der der Öffentlichkeit weismachen will, er bekomme sein Geld von einer Diktatur, um ihr bei der Demokratisierung zu helfen.

Die Metamorphose Gusenbauers vom revolutionären Juso zum geldgierigen Abkassierer ist schon erstaunlich. Klammheimlich kommt da der Gedanke hoch, dass auch die heutigen Jusos es nur auf eine Geld bringende Parteikarriere anlegen – wie bei Josef Cap zu beobachten war. Die linken Tiraden heutiger Jusos sollte man daher nicht so ernst nehmen. Seltsam immerhin, dass sie zwar aus lauter Empörung über die rot-blaue Koalition im Burgenland den Parteiausschluss von Hans Niessl verlangen, Gusenbauers Kungelei mit einem Diktator aberhinnehmen.

Paradebeispiel Darabos

Man soll die Moralanforderungen an die Politik nicht zu hoch ansetzen. Es geht auch im normalen Leben nicht immer sauber zu. Drängt aber in die Politik nicht ein besonders windiger Menschenschlag? Erhard Eppler, langjähriger SPD-Politiker, verneint das entschieden, meint aber: „Es stimmt, dass Menschen in der Politik noch rascher und gründlicher deformiert werden als anderswo, und zwar umso heilloser, je weniger sie dessen gewahr werden.“

Norbert Darabos ist ein Paradebeispiel dafür: Innerhalb weniger Wochen vom Verteidiger der Wehrpflicht zum Befürworter eines Berufsheeres, dann vom heftigen Kritiker der FPÖ zum Mitglied einer Koalition mit ebendieser FPÖ.

Aber hätte nicht der angeblich intelligente Gusenbauer merken müssen, dass die bei Politikern häufige Déformation professionnelle bei ihm schon weit fortgeschritten ist? Vielleicht liegt aber auch gar keine Deformation vor, sondern er war immer schon so. Innerhalb der SPÖ-Spitze galt er zwar als gebildet, aber sozial und emotional unintelligent. Sonst hätte er nicht mit seiner groben Präpotenz so viele in der SPÖ beleidigt, dass er schließlich den Hut nehmen musste.

Faymanns andere Interessen

An der Spitze von Parteiakademien stehen in der Regel honorige Persönlichkeiten, manchmal Professoren, manchmal Altpolitiker. Die eigentliche Arbeit wird von Geschäftsführern gemacht, von denen das Renner-Institut zwei hat. Präsidenten sollen eine Imagewirkung nach außen haben. Da war Gusenbauer immer fehl am Platz.

Dass er diese Funktion so lang halten konnte, ist auch der Schwäche des Parteivorsitzenden, Werner Faymann, geschuldet. Offensichtlich an Bildungsfragen uninteressiert, ist er hauptsächlich mit Machterhalt beschäftigt. Dabei hätte das Bildungsinstitut der SPÖ eine Blutauffrischung nötig.

Das Bruno-Kreisky-Forum hat dem Renner-Institut inzwischen mit interessanten Veranstaltungen und Vorträgen längst den Rang abgelaufen. Es bleibt die Schulung der Funktionäre. Wenn diese sich am Präsidenten orientieren, lernen sie, wie man mit der Politik viel Geld verdient. Bei idealistischen Sozialdemokraten kann da nur Wehmut aufkommen – oder Zorn.

Das Renner-Institut sollte sich einen neuen Präsidenten suchen. Und die SPÖ einen neuen Parteiobmann.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Ulrich Brunner (* in Wien) war Schriftsetzer, Korrektor und von 1970 bis 1975 innenpolitischer Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“. Seit 1975 als Redakteur im aktuellen Dienst des ORF, zunächst in der „Zeit im Bild“ als Reporter, später Ressortleiter Innenpolitik, Chefredakteur im Hörfunk und Intendant des ORF-Landesstudios Burgenland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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