Feministinnen sind immer die anderen

Marlen Schachinger schreibt an gegen ein Gespenst des Feminismus, das nicht existiert.

Feministinnen sind komische Menschen. Nach wie vor spuken sie in der Taktung von Sommerlöchern und Berichterstattungsflauten durch die Medien. Sie glauben, wir leben noch immer in der Vergangenheit. Sie haben nicht verstanden, dass Frauenwahlrecht und Fristenlösung schon längst realisiert sind. Sie schwingen seltsame Parolen. Bestimmt verbrennen sie auch BHs.

Man weiß nicht genau, wer diese Feministinnen sind und wo sie sich sammeln. Man weiß nicht genau, wofür sie stehen, wie sie aussehen. Aber man weiß: Man selbst ist keine davon. Noch nie hat man einen BH verbrannt, im Gegenteil, man schätzt die eigenen Büstenhalter sehr. Verbrennen? Man ist schließlich keine Feministin.

Man selbst ist zwar für Lohngerechtigkeit und die Unterstützung von Müttern, man selbst möchte gern respektvoll behandelt werden und stößt sich nicht sonderlich daran, wenn man als „Leserin“ und nicht als „Leser“ bezeichnet wird. Aber man ist keine Feministin.

Feministinnen beschäftigen sich nicht mit der wirklichen Welt. Sie hoffen, dass sich die alltäglichen, unbezahlten Reproduktionsarbeiten wie Kochen, Putzen, Kinderbetreuung von allein erledigen werden. Sie glauben an den Gott des Papiers, an die Naturgesetzlichkeit von Verordnungen. Feministinnen sind dämlich. Man selbst ist keine davon.

Nicht so engstirnig

Man selbst weiß um die großen Probleme der Welt Bescheid: Neoliberalismus, Ausbeutung ganzer Landstriche, Wirtschaftskriege, Religionskriege, Flüchtlingsströme. Man selbst ist nicht so engstirnig wie die Feministinnen, weiß, dass Gender ein Teilbereich, ein bloßer Abhang am Berg der globalen Probleme ist. Feministinnen wissen das nicht. Wahrscheinlich glauben sie, es gäbe nur Frauen auf der Welt. Man ist keine Feministin.

Man möchte in der eigenen Literatur das sagen können, was man sagen will. Man möchte bei Lesungen und der Honorarabwicklung gleich behandelt werden wie männliche Kollegen. Man stört sich nicht daran, als hübsch bezeichnet zu werden, legt aber gleichzeitig Wert darauf, dass nicht nur die eigene Erscheinung, sondern auch das eigene literarische Erzeugnis Thema der Besprechungen ist. Man ist beileibe keine Feministin!

Man will Dämme brechen

Man wünscht sich die große Geste, schreibt ungeschoren von „Ficken“ und „Pudern“. Man knallt unerhörte Szenen vor das Publikum, will Dämme brechen, man schert sich nicht viel. Man will die ganze Welt, und zwar in großen, saftigen Stücken. Recht hat man! Aber man ist um Gottes willen keine Feministin. Feministinnen sind komische Menschen. Man weiß nicht genau, wer diese Feministinnen sind und wofür sie stehen. Man weiß nicht genau, wo sie sich sammeln, wie sie aussehen, was sie tun. Man sieht sie nur an dem Schatten, den sie werfen, und sagt: Eine solche bin ich nicht. Ich hänge keinem Ismus an.

Ich verpflichte mich keiner schändlichen Ideologie. Die Rede vom Feminismus weht zu mir herüber wie aus einer anderen Zeit. Alles vergeben und vergessen. Ich bin eine moderne, aufgeklärte, selbstbewusste Frau. Ich nehme die Dinge selbst in die Hand. Lasse mich nicht unterkriegen. Ich bin. Denn Feministinnen sind immer die anderen.

Anm: Die Autorin bezieht sich auf den Artikel von Marlen Schachinger „Ich habe es so satt, korrekt zu sein“ im „Spectrum“ vom 14.8.

Theodora Bauer, geboren 1990. Studiert Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. Ihr Debütroman, „Das Fell der Tante Meri“, ist 2014 beim Picus Verlag erschienen. 2014 erhielt sie den Manuskripte-Förderpreis der Stadt Graz, 2015 das Achensee.Literatour-Stipendium. Sie bezeichnet sich ohne schlechtes Gewissen als Feministin.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.