Allerhöchste Zeit für eine Gesprächskultur unter den Parteien

Zur stark wuchernden Unkultur der politischen Dialogverweigerung.

Es war der letzte Heurigen-Salon zur Wien-Wahl, zu dem „Die Presse“ am Dienstagabend in den Gschupftn Ferdl in Wien geladen hatte – diesmal mit Heinz-Christian Strache. Entgegen der Bitte von „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak, keine politischen Meinungsmonologe, sondern konkrete Fragen an den FPÖ-Spitzenkandidaten zu richten, sah sich Ferdl-Betreiber Moriz Piffl dazu bemüßigt, seiner politischen Couleur Ausdruck zu verleihen und sprach Strache kurzerhand ein Lokalverbot aus.

Zu Recht empörte sich daraufhin Nowak: Die Gastgeber haben ihr Lokal als neutrale Bühne zur Verfügung gestellt und diese dann zur Bekundung persönlicher Befindlichkeiten missbraucht. Bei aller berechtigten Kritik an den reißerischen Parolen der Freiheitlichen Partei: Ihr mit derselben Intoleranz und Diskriminierung entgegenzutreten, die ihr im gleichen Atemzug vorgeworfen wird, macht linksgerichtete Parteien und Personen nicht nur unglaubwürdig, sondern ebenso radikal wie die FPÖ.

Die Eckpfeiler von Demokratie bestehen ganz wesentlich in der freien, von gegenseitigem Respekt getragenen Äußerung von Meinungen. Sich dieses Recht laufend durch gegenseitige Vorwürfe von Verhetzung (Die Grünen) und parteipolitischer Ausgrenzung (FPÖ) abzugraben, führt zu einer Radikalisierung auf beiden Seiten – und wird auf dem Rücken der Wähler und der österreichischen Gesprächskultur ausgetragen. Die Fronten sind derart verhärtet, dass Strache noch so lammfromm sein kann: Die Linken werden ihm kategorisch Lokalverbot erteilen.

Bereitschaft zum Dialog

Dabei wäre gerade in krisengeschüttelten Zeiten wie diesen, da Flüchtlingsströme das Selbstverständnis von Identität und Kultur auf den Prüfstand zerren, die Bereitschaft zum konstruktiven Dialog überaus förderlich. Ein von Respekt gekennzeichneter Umgang der Parteien mit- und untereinander könnte Unsicherheiten in der der Bevölkerung entschärfen und eine ausufernde Positionierung in der Extreme verhindern.

Festgefahrene Positionen

Das aktuelle Ringen der Parteien um Überlegenheit und ihre Beharrlichkeit bei der Verunglimpfung Andersdenkender torpediert jeden lösungsorientierten Ansatz. Die festgefahrene Haltung der Politiker überträgt sich unweigerlich auf die Bevölkerung, der sie eine Orientierung geben sollten. Was sie stattdessen demonstrieren, ist die konsequente Verweigerung zum Austausch. Es wäre höchste Zeit, den parteipolitischen Kleinkrieg zugunsten einer funktionierenden Kooperation zu begraben und damit ein Signal zu senden: Dass die Parteien ihre Pflicht gegenüber der Bevölkerung ernst nehmen, dass sie Lösungen und nicht nur politisches Hickhack anzubieten haben. Die Kluft zwischen den Parteien zu schließen wäre eine erste Maßnahme, um auch die Kluft in der Bevölkerung zu verkleinern.

Alexander Van der Bellen äußerte im Kontrastprogramm im Rahmen seiner Buchpräsentation nur eine Stunde nach dem Heurigensalon in der Buchhandlung Thalia, er wolle mit den 30 Prozent der FPÖ-Wähler in Oberösterreicher „nichts zu tun haben“ – um sich nur wenige Minuten später für Nichtdiskriminierung auszusprechen. Die Verweigerungshaltung und vorschnelle Zurückweisung von Ängsten riechen auch bei den Grünen schnell nach Ausgrenzung; Die Sorgen – ob berechtigt oder nicht – eines erheblichen Anteils der Bevölkerung werden dadurch ignoriert. Es wird Zeit, dass die Politik endlich eine Gesprächskultur propagiert, für die man sich nicht jedes Mal aufs Neue in Grund und Boden genieren muss.

Christina Geyer (* 1989) hat Internationale Entwicklung und Philosophie in Wien und Hamburg studiert. Freie Redakteurin bei der Philosophie-Zeitschrift „Hohe Luft“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2015)

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