Was bitte sollen Kampftaucher an der Grenze ausrichten?

Eine Absage der Leistungsschau des Bundesheeres hätte niemandem genutzt.

Anneliese Rohrer versucht in ihrem „Quergeschrieben“ (24. 10) einen Zusammenhang zwischen dem derzeit laufenden Assistenzeinsatz und der Leistungsschau des Bundesheeres auf dem Heldenplatz am vergangenen Wochenende herzustellen. Selbst wenn man dem Bundesheer sehr viel Böses unterstellen will: Diesen Zusammenhang gibt es nicht.

1. Das Bundesheer leistet der Polizei an der Grenze Assistenz; die Polizei führt, plant und steuert den Einsatz und fordert jene Anzahl von Soldaten an, die sie zur Unterstützung benötigt. Daher sind auch genauso viele Soldaten im Einsatz, wie die Polizei angefordert hat. Derzeit sind es übrigens weit mehr, als es während der Flüchtlingskrise im Burgenland waren. 800 Soldaten leisten in der Steiermark der Polizei Assistenz; es können aber noch mehr werden.

Beurteilt und angefordert wird dies bei jener Stelle, die den Einsatz führt: der Polizei. Ein selbstständiges Einschreiten ist dem Bundesheer nicht nur nicht erlaubt, es wäre auch nicht sinnvoll. Auch bei einem großen Feuerwehreinsatz gibt es eine einzige Feuerwehr, die den Einsatz koordiniert. Würden alle Feuerwehren, ohne dass sie angefordert werden, zum Einsatz fahren, würde das niemandem nützen und der Sache schaden.

Was die Verfassung vorschreibt

Die Bundesverfassung sieht darüber hinaus klare Kompetenzen für die Aufgaben des Bundesheeres vor. Bei einem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz, wie er derzeit abläuft, kann das Bundesheer nur zum Einsatz kommen, wenn es angefordert wird. Es wäre unvorstellbar, welcher Sturm losbrechen würde, wenn das Bundesheer sich nicht an die Verfassung halten würde. Warum hat Frau Rohrer verschwiegen, dass es dem Bundesheer gar nicht möglich ist, mehr Soldaten an die Grenze zu schicken, wenn diese nicht von der Polizei angefordert werden?

2. Die Leistungsschau auf dem Heldenplatz dient dazu, der Bevölkerung das gesamte Spektrum der militärischen Leistungsfähigkeit zu präsentieren. Daher können die Besucher nicht nur einer Angelobung beiwohnen, sie können zum Beispiel auch ein Eurofighter-Modell, Scharfschützen, Schützenpanzer oder Kampftaucher sehen.

Vielerlei Aufgaben des Heeres

Jene Soldaten, die in den Kasernen als Reserve für eine mögliche Verstärkung des Grenzeinsatzes bereitstehen, sind daher nicht jene, die auf dem Heldenplatz den Besuchern Rede und Antwort stehen. Würde man Rohrers Vorschlag aufgreifen, welche der Soldaten, die auf dem Heldenplatz stehen, sollten dann an die Grenze geschickt werden? Die Kampftaucher, die Militärgeografen oder die Wehrdienstberater? Und was genau sollten diese Soldaten dort machen?

3. Gleichzeitig zum Assistenzeinsatz und zur Leistungsschau sind knapp 1000 Soldaten im Ausland eingesetzt. Im Kosovo, in Bosnien oder der Zentralafrikanischen Republik leisten sie einen wichtigen Beitrag, um Krisen zu stabilisieren und damit Flüchtlingsströme aus diesen Ländern zu verhindern. Gleichzeitig überwachen die Luftstreitkräfte den österreichischen Luftraum, werden tausende Grundwehrdiener ausgebildet.

Wem also hätte es genutzt, wenn die Leistungsschau des Bundesheeres abgesagt worden wäre? Kein einziger der auf dem Heldenplatz anwesenden Soldaten wäre an die Grenze gefahren. Rohrers Behauptungen halten einem Faktencheck nicht stand. Ein Blick in die Bundesverfassung hätte genügt, um festzustellen, unter welchen rechtlichen Regeln der Assistenzeinsatz des Bundesheers abläuft.

General Othmar Commenda (* 1954), ist Absolvent der Theresianischen Militärakademie, des Generalstabslehrgangs und des

War College der US Army. Seit 2013 ist er Generalstabschef und damit höchster Offizier des Bundesheeres.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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