Zerstörung der Universitäten

Die Universität als Ort der Lehre, Forschung und kritischen Reflexion ist am Ende. Die neuen „Senior Lecturers“ beschleunigen diesen Prozess.

Der Anfang Mai beschlossene Kollektivvertrag der Universitäten benachteiligt nicht nur Nachwuchswissenschaftler auf sogenannten S1-Stellen, die wie die Lektoren auf Übergangsregelungen warten müssen, sondern verstärkt auch die bereits in der Einführung des Bachelors angelegte Tendenz, Lehre und Forschung zu trennen und damit den Kern der Universität zu zerstören.

An der Universität Wien wird der Großteil der Lehre, somit eines der beiden Kerngeschäfte des Betriebs, von Lektoren gehalten, die semesterweise angestellt, schlecht bezahlt und ohne jede Infrastruktur zur Vor- und Nachbereitung arbeiten müssen.

Bei allen Nachteilen, die dieses System für die Betroffenen bietet, konnte die Universität damit jedoch ein breites, vielfältiges Lehrangebot liefern, für das sie von ausländischen Unis durchaus bewundert wurde. Die Lehrenden sind einerseits junge Wissenschaftler am Beginn ihre Karriere, die ihre Forschungsarbeiten in die Lehre einbrachten, andererseits Menschen aus der Praxis oder aus außeruniversitären Forschungszusammenhängen, die der Universität halfen, ihren Bezug zur „realen“ Welt nicht ganz zu verlieren.

Anstatt nach Wegen zu suchen, die Situation der Lektoren zu verbessern und dabei die Vielfalt zu bewahren, soll nun ein Kahlschlag erfolgen, der mit dem Wort „Senior Lecturer“ verkauft wird.

Besserer Lehrer, aber kein Wissenschaftler

Senior Lecturers sollen im Unterschied zu den jetzigen Lektoren 13 bis 16 Wochenstunden unterrichten. Mit Vor- und Nachbereitung bleibt da keine Zeit für Forschung. Zudem sind diese Stellen (noch) schlechter bezahlt, als es die Summe der Lehraufträge wäre. Davon, dass die Universitäten diesen Leuten ihre Infrastruktur zur Verfügung stellt, beispielsweise so aufwendige Dinge wie ein Büro, war bislang keine Rede, und angesichts der Raumnot an Österreichs Universitäten ist zu erwarten, dass sich die Senior Lecturers darum wohl selbst kümmern müssen. Im Zweifel halt auf eigene Kosten.

Die englische Bezeichnung soll vertuschen, dass es sich bei der Stelle um einen besseren Lehrer, aber um keinen Wissenschaftler handelt. Sind im englischsprachigen Raum Senior Lecturers angesehene Mitarbeiter eines Instituts, die in der akademischen Hierarchie nur knapp unter den Professoren angesiedelt sind, Zeit für Forschung haben und entsprechend entlohnt werden, soll in Österreich einmal mehr ein klingender Titel den bescheidenen Inhalt überdecken. Die formalen Ansprüche an die „Seniorenlektoren“ sind unklar, eine weitere akademische Laufbahn offenbar nicht vorgesehen und aufgrund der Verunmöglichung der Forschung auch nicht verfolgbar. Das Betreuungsverhältnis Lehrende/Studierende ist so katastrophal schlecht, dass man in den diversen Hochschulrankings so weit runterrasselt wie sonst nur die Fußballnationalmannschaft in der Rangliste der Fifa. Wer nun aber dachte, die Senior Lecturers werden daran etwas ändern, der irrt. Ihnen soll zwar die Betreuung von Bakkalaureatsarbeiten, nicht jedoch von Masterthesen – den bisherigen Diplomarbeiten – erlaubt sein. Dies mag in den Statistiken als verbessertes Betreuungsverhältnis aufscheinen, die tatsächliche Betreuung von Abschlussarbeiten bleibt weiterhin problematisch.

Die Senioren sollen die jetzigen Lektoren nicht ergänzen, was an einigen Instituten, etwa an sprachwissenschaftlichen, durchaus sinnvoll wäre, sondern ersetzen. Was bleibt, ist ein Kahlschlag, der keine Verbesserung der dringend reformbedürftigen Situation darstellt, sondern ein Zweiklassensystem von Hochschullehrern installiert: jene, die lehren und forschen, und jene, die nur unterrichten. Bei der fehlenden Anerkennung der Lehre im österreichischen Hochschulsystem kann man sich ausrechnen, welchen Stellenwert jene, die nur lehren, darin einnehmen werden.

Trennung von Forschung und Lehre

Diese Tendenz setzt sich auch bei den S1-Stellen fort, die künftig zwar mehr verdienen werden, aber nach den Vorstellungen des Rektorats der Uni Wien ihre Forschungen nicht mehr während der Arbeitszeit durchführen dürfen und – damit sie trotzdem noch ihre Dissertationen schreiben können – dafür nur noch Halbtagsstellen erhalten werden. Forschung wird so nur noch durch – ebenfalls stark prekarisierte – „Drittmittelstellen“ möglich. Am Ende steht immer die Trennung von Forschung und Lehre und damit das Ende einer Universität, wie wir sie bisher als Ort der Lehre, Forschung und kritischen Reflexion kannten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2009)

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