Die Behörden entwaffnen gerade die Polizeikräfte

Symbolbild Polizeistreife
Symbolbild PolizeistreifeAPA/GEORG HOCHMUTH
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Polizisten sollen in ihrer Freizeit keine Waffen mehr tragen dürfen.

Bis vor Kurzem war es in Österreich selbstverständlich, dass Polizisten Waffenpässe – also die Berechtigung zum Führen von Pistolen außerhalb der Dienstzeit – erhielten. Während die Terrorgefahr auch in Österreich erheblich steigt, sorgen die österreichischen Verwaltungsbehörden nunmehr dafür, dass Polizisten keine Waffenpässe mehr erhalten.

Die Behörden argumentieren damit, dass ein Polizist in seiner Freizeit ja nur dann zum Schutz anderer Personen einzuschreiten habe, wenn ihm dies zumutbar sei. Außerdem könne ein unbewaffneter Polizist, der in seiner Freizeit die Notwendigkeit sehe, anderen Menschen zur Seite zu stehen, ja die Polizei rufen (VwGH 2010/03/0058).

Zynische Behördenargumente

Insbesondere aus Sicht der jeweiligen Verbrechensopfer sowie der zufälligerweise in ihrer Freizeit anwesenden Polizisten ist diese Argumentation zynisch. Ein Polizist ist in seiner Freizeit ebenso verlässlich und ausgebildet wie im Dienst. Die Öffentlichkeit kann daher kein Interesse daran haben, dass er unbewaffnet ist.

Andererseits haben die Öffentlichkeit und konkrete Verbrechensopfer ein besonders hohes Interesse daran, dass möglichst viele bewaffnete Polizisten „auf der Straße“ sind, um im Falle von Gewaltverbrechen angemessen und effektiv einschreiten zu können.

Man stelle sich zum Beispiel nur vor, dass ein Angehöriger einer Spezialeinheit wie der Cobra oder der Wega (auch diese erhalten keine Waffenpässe mehr) Zeuge einer Vergewaltigung wird, an der mehrere Täter beteiligt sind. Unbewaffnet hat auch ein solcher Spezialist so gut wie keine Chance gegen eine Gruppe junger Männer, die möglicherweise bewaffnet sind. Es bleibt ihm also dank der neuen Praxis der Verwaltungsbehörden nur die Möglichkeit, aus sicherer Distanz zuzusehen, zuzuhören und die Kollegen im Dienst zu rufen.

Das ist schlicht unerträglich. Vor jeder Wahl und nach jedem Terroranschlag ist das Lippenbekenntnis der Politik zu vernehmen, dass 1000 oder gar 2000 neue Polizisten zusätzlich aufgenommen werden sollen, um für mehr Sicherheit zu sorgen. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall.

Abgewürgtes Sicherheitsplus

Jene Polizisten, die bereits in Österreich Dienst tun, werden außerhalb ihrer Dienstzeit entwaffnet und somit de facto außer Funktion gesetzt. Dabei stellt es für jeden Österreicher und jede Österreicherin ein Sicherheitsplus dar, wenn zumindest jene Polizisten, die das möchten, auch in ihrer Freizeit bewaffnet sind und unmittelbar wirksam zum Schutz anderer Personen einschreiten können, falls dies erforderlich und angemessen ist.

Der erste Terrorist im Theater Bataclan in Paris wurde am vergangenen Freitag von gewöhnlichen Streifenpolizisten mit ihren Dienstpistolen erschossen. Sie waren die Ersten vor Ort und haben durch ihr rasches und beherztes Einschreiten den Terroristen ausschalten und so zahlreichen Menschen das Leben retten können.

Korrektur überfällig

Diese Möglichkeit wird österreichischen Polizisten außerhalb ihrer Dienstzeit durch die österreichischen Verwaltungsbehörden nunmehr genommen. Diese weder nach dem Waffengesetz richtige noch im Interesse der Öffentlichkeit und der Polizei nachvollziehbare Verwaltungspraxis sollte unverzüglich durch eine klärende gesetzgeberische Maßnahme beendet werden.

Österreichische Polizisten müssen auch außerhalb ihrer Dienstzeit anderen Menschen wirksam zur Seite stehen und dabei sich und andere wirksam schützen dürfen.

Dr. Raoul Wagner ist Rechtsanwalt in Wien und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Notwehr- und Waffenrecht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2015)

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