Die Denkirrtümer des Manfred Matzka

Mit ihren Grundwerten aus den 1980er-Jahren bilden die Grünen nach wie vor die gesellschaftliche Avantgarde.

Manfred Matzkas Rundumschlag gegen die Regierungsfähigkeit der Grünen („Presse“ vom 26. 11.) ist grundiert von einem Vulgärmarxismus, der schon lang nicht mehr die Lage der Gesellschaft widerspiegelt. Daraus zeichnet er ein Zerrbild der Grünen, das fern jeder Realität ist.

Sein Hauptvorwurf ist, die Grünen hätten keine kompakte soziale Basis, daher seien sie zerrissen zwischen Linken und Neoliberalen, hätten keine langfristige politische Linie und seien eigentlich gar keine Partei, sondern nur so eine Art ökologische Wahlzweckgemeinschaft.

Bereits ein Besuch beim jüngsten Parteitag der Wiener Grünen hätte Matzkas Behauptung als Märchen entlarvt. Der Wiener Parteikongress wurde von über 350 Mitgliedern besucht, es gab eine spannende Debatte über die politische Situation und notwendige Maßnahmen – inklusive neuem Koalitionsabkommen. Diese Veranstaltung war weitaus demokratischer als jene der Wiener SPÖ, bei der nur ein Ausschuss und nicht die gesamte Parteibasis über das Koalitionsabkommen und die Landtagsmandate abstimmte.

Mit dem Vorwurf einer fehlenden kompakten sozialen Basis ist Matzka einem Denken verhaftet, das im Zeitalter der Postmoderne, der Ausdifferenzierung der Gesellschaft in verschieden Sphären und Gruppen, überholt ist. Die Postmoderne kennt keine kompakte soziale Basis mehr. Die Kompaktheit ist zersplittert.

Pluralisierung der Basis

Was hat etwa das SPÖ-Mitglied Matzka, ein hoch bezahlter Beamter, gemein mit dem SPÖ-Mitglied Maria Meier, einer Handelsangestellten? Wie kompakt ist da die gemeinsame Masse?

Die Attribute, die Soziologen unserer Gesellschaft geben – von der Konsumgesellschaft, über Müdigkeits-, Transparenz- bis zur Erlebnisgesellschaft – künden auch von der Pluralisierung der sozialen Basis. Die Pluralisierung unserer Gesellschaft, die bis tief in alle Lebensbereiche hineinreicht, hat nach 1980 zu einer Pluralisierung der österreichischen Parteienlandschaft und der Gründung der Grünen mit ihren Grundwerten geführt: ökologisch, solidarisch, basisdemokratisch, gewaltfrei, selbstbestimmt, feministisch.

Ein gutes Leben für alle

Mit diesen Grundwerten, die der langfristige Leitfaden des politischen Handelns sind, sind die Grünen immer noch gesellschaftliche Avantgarde.

Matzka suggeriert in seinem Beitrag, dass der Mensch nur ein Mensch sei, wenn er arbeite. Der Mensch ist natürlich auch ein Mensch, wenn er nicht arbeitet.

In Zeiten abnehmender Arbeitsplätze, der Vollcomputerisierung und Mechanisierung der industriellen Produktion ist die Forderung nach einem Grundeinkommen für alle keine Schrulle der Grünen, sondern eine notwendige politische Antwort, um ein gutes Leben für alle zu garantieren. Die Ignoranz des einstigen Intellektuellen Matzka gegenüber der seit 30 Jahren geführten Diskussion über die Grenzen des Wachstums und die Veränderung der Arbeitswelt durch Computerisierung schmerzt. Der marxistische Denker André Gorz hat schon vor über 20 Jahren neben das Recht auf Arbeit auch das Recht auf Einkommen, unabhängig von Arbeit, gestellt.

In Zeiten weniger werdender Arbeitsplätze und zunehmender Zerstörung der Umwelt durch industrielle Produktion ist es hoch an der Zeit, eine ökosoziale Politik zu gestalten, die eben nicht die neoliberalen Antworten wie Entdemokratisierung, Entsolidiarisierung und weitere Naturzerstörung, wie es die konservativen und freiheitlichen Parteien anbieten, unterstützt.

Franz Klug (*1956) ist Buchhändler und Publizist, Gründungsmitglied der Grünen, zwei Jahre Gemeinderat in Innsbruck, zehn Jahre Landtagsabgeordneter in Tirol. Lebt als Buchhändler und Publizist in München und Innsbruck.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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