Größere Entlastung des Faktors Arbeit ist überfällig

Lohnnebenkostensenkung als ein Motivationsschub für die Wirtschaft.

Auf dem Arbeitsmarktgipfel der Bundesregierung im November hat der Finanzminister stolz Erleichterungen bei den Lohnnebenkosten angekündigt. Er kann insofern stolz sein, als es das erste Mal seit Jahrzehnten ist, dass eine Regierung versucht, das Wachstum der Lohnnebenabgaben einzudämmen. Andererseits soll hier klargemacht werden, dass die Größenordnung dieser Erleichterungen so bescheiden ist, dass eine Verhaltensänderung der Investoren kaum zu erwarten ist.

Wenn 2014 die Summe der Abgaben auf den Faktor Arbeit ohne Lohnsteuer fast 50 Milliarden Euro, die Summe der Lohnsteuer der aktiven Arbeitnehmer 20 Milliarden Euro betragen hat und die gesamten Bruttoarbeitskosten 160 Milliarden Euro ausgemacht haben, so liegt die Abgabenquote auf den Faktor Arbeit ohne Lohnsteuer bei 31,4 Prozent der Bruttoarbeitskosten.

Da die öffentlich Bediensteten nur gewisse Abgaben zahlen und darüber hinaus jenseits der Beitragsbemessungsgrenze der absolute Beitrag konstant gehalten wird, bedeutet dies, dass bei einem durchschnittlichen Einkommen der Abgabenkeil auf den Faktor Arbeit ohne Lohnsteuer nicht 31,4, sondern sogar 36,8 Prozent betragen hat. Rechnet man die Lohnsteuer dazu, wird der in der Privatwirtschaft Beschäftigte also mehr als die Hälfte seines Einkommens an den Staat abführen müssen.

Nachlassende Investitionslust

Es ist kein Geheimnis, dass dem Arbeitnehmer zunehmend der Konnex zwischen eigener Leistung und Bezahlung verloren geht und sich dies negativ auf seine Leistungsbereitschaft auswirkt. Neu war, dass als Folge der Krise und der damit verbundenen Reformen und Steuererhöhungen auch die Investitionslust der Arbeitgeber nachgelassen hat und wir bis heute das Niveau der Investitionen von 2007 nicht erreicht haben.

Wenn nun die Bundesregierung die Senkung des Insolvenz-Entgeltsicherungfonds um 0,1 Prozent für 2016 – das sind 100 Millionen Euro Entlastung –, die Senkung des Familienlastenausgleichsfonds-Satzes um 0,4 Prozent für 2017 und um weitere 0,2 Prozent für 2018 in Aussicht stellt, so summieren sich alle drei Maßnahmen ab 2018 auf eine Entlastung von 800 Millionen Euro pro Jahr.

Beispiel Wohnbauförderung

Der Vergleich zu einigen längst fälligen Reformen wie dem Wohnbauförderungsbeitrag, der 0,5 Prozent auf der Arbeitgeberseite und 0,5 Prozent auf der Arbeitnehmerseite beträgt – zusammen mehr als 900 Millionen Euro –, rückt die neue Reform allerdings in ein realistisches Licht. Auch könnte man stärker auf eine sozial- und einkommensabhängige Familienförderung setzen. Immerhin besteht der größte Bedarf nach finanzieller Unterstützung bei jungen Paaren und alleinerziehenden Eltern. Auch darf die Frage gestellt werden, ob die Umlage von Wirtschafts- und Arbeitskammer mit dem nominellen BIP mitwachsen muss.

Als Beispiel für kostenbewussteres Wirtschaften könnte die Wohnbauförderung dienen. Wenn die Banken Wohnbaukredite vergeben, bei denen das Ausfallsrisiko von den Ländern übernommen wird, wären heute Zinssätze unter einem Prozent üblich. Die Förderung des Umweltschutzes, die einen Teil der Wohnbauförderung darstellt, ließ sich problemlos über Anpassungen der Landesbauordnungen erreichen.

Eine Studie des IWF zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Belastung des Faktors Arbeit und der Arbeitslosigkeit gibt. Die angeführten Beispiele sollen zeigen, dass in Österreich eine wesentlich größere Entlastung des Faktors Arbeit möglich wäre, ohne dass der Sozialstaat angegriffen wird.

Bernhard Felderer (*1941) war von 1991–2012 Direktor des Instituts für Höhere Studien. Derzeit ist er Präsident des Fiskalrats, der die Politik bei Fragen der Staatsfinanzen berät.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)

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