Wie man einen Kandidaten den Wählern gut verkauft

Am Montag beginnt in den USA die heiße Phase des Wahlkampfs um die Präsidentschaft mit den Vorwahlen in Iowa.

Was politische Unterhaltung angeht, ist der Präsidentschaftswahlkampf in den USA nur schwer zu toppen. Ausländische Beobachter verfolgen das Rennen, um zu ermitteln, wer am qualifiziertesten wäre, um die USA – und in gewissem Maß auch die freie Welt – in Richtung einer stabileren, sichereren und wohlhabenderen Zukunft zu führen.

In den USA aber zählt primär der Unterhaltungswert – und den Amerikanern geht es vor allem um Aufregung: Wer sieht besser aus? Wer hat die markanteren Schlagworte? Wer wirkt am authentischsten usw. Das wird häufig bis zur Absurdität getrieben.

Dies ist natürlich kein neues Phänomen. Edward Bernays, der Begründer der modernen PR-Branche, hat es 1928 in seinem Buch „Propaganda“ untersucht. „Die Politik war das erste große Geschäft in Amerika“, erklärte er, und Wahlkämpfe seien nur das „Beiprogramm – Ehrungen, Bombast, Glitter und Reden“. Der Schlüssel zum Sieg bestehe in der Manipulation der öffentlichen Meinung, und diese ließe sich am wirksamsten erreichen durch Appelle an die „geistigen Klischees und emotionalen Gewohnheiten der Öffentlichkeit“.

Der Präsident als Produkt

Anders ausgedrückt: Ein Präsident ist nichts weiter als ein Produkt, das es zu vermarkten gilt. Und wie jeder Vermarkter weiß, bestimmt sich der Erfolg eines Produkts nicht zwangsläufig durch seine Qualität. Andernfalls würde Donald Trump nicht als ein ernstzunehmender Kandidat gehandelt werden – und schon gar nicht als Favorit auf die Nominierung der Republikanischen Partei.

Stattdessen muss ein Präsident als eine Art imaginärer Freund herhalten: Als jemand, mit dem man gern ein Bier trinken geht (seitens der Männer), als einfühlsamer Gesprächspartner (seitens der Frauen) und als charmanter Twitter-Nutzer (seitens der Jungen). Im aktuellen Wahlkampf leidet die komplexeste Kandidatin, Hillary Clinton, enorm unter – seien wir ehrlich – Persönlichkeitsdefiziten. Sie hat als Außenministerin der ersten Obama-Regierung wichtige politische Beiträge geleistet, und sie hat unter allen Präsidentschaftskandidaten die wohl umfassendste wirtschaftliche Vision vorgelegt.

Trotzdem sieht sie sich im Rennen um die Nominierung der Demokraten einer ernsten Herausforderung durch Bernie Sanders ausgesetzt, einem Senator aus Vermont, der sich selbst als „demokratischen Sozialisten“ beschreibt.

Die Beliebtheit von Sanders beruht zum Teil auf dem von ihm projizierten Bild des stereotypen „verrückten Professors“, der in reizender Weise aus einer anderen Welt zu stammen scheint. Seine energischen, unbefangenen Gesten lassen ihn leidenschaftlich und authentisch erscheinen. Doch seine tatsächlichen politischen Vorschläge – wie eine kostenlose weiterführende Bildung und allgemeine Krankenversorgung – ähneln insofern Trumps Aufrufen, „Amerika wieder groß zu machen“, als darin einfache, aber visionäre Ziele formuliert sind.

Laut Bernays erstreckt sich der Wunsch der Menschen nach Einfachheit noch auf einen weiteren Bereich der Wahlkampfpolitik: Die „Parteiapparate sollten das Feld der Kandidaten auf zwei, oder maximal drei oder vier, Kandidaten verengen“. Hier sind die Republikaner dabei, böse vom Weg abzukommen. Nachdem sie die Vorwahlzeit mit 17 Kandidaten begonnen hatten, haben sie es lediglich geschafft, das Feld um einige wenige auf nunmehr zwölf Bewerber zu reduzieren.

Jeb Bush, der ehemalige Gouverneur von Florida und jüngere Bruder von George W. Bush, galt ursprünglich als ernsthafter Mitbewerber. Doch Trump hat zur Abwechslung einmal Recht mit seiner Beobachtung, dass Bush ein Mensch „mit wenig Energie“ sei. Bush ist der Charlie Brown dieser Wahlen. Jeder seiner Versuche, den Ball zu treten, wird durch gewitztere Mitbewerber konterkariert.

Wie der Zauberer von Oz

Eine dynamischere Alternative unter den Vertretern des politischen Establishments ist ein anderer Bewerber aus Florida, Senator Marco Rubio. Doch fehlt es seinem Wahlkampf, wie schon seinem Äußeren, an Kontur und Selbstbewusstsein.

Dem Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, fehlt es nicht an griffigen Bonmots und Slogans. Tatsächlich wäre Christie in einem typischen US-Präsidentschaftswahlkampf vielleicht ein Anwärter auf den Rang des comicartigsten Kandidaten. Aber dies ist kein typischer Wahlkampf – weil an Trump nichts Typisches ist. Mit seiner überspitzten Mimik, seiner Neigung zu blödsinnigen Äußerungen und seiner Liebe zu Superlativen scheint Trump – ein Showman und Geschäftsmann – für eine Manipulation der Öffentlichkeit im Stile Bernays' über den richtigen Hintergrund zu verfügen. Doch er hat den falschen Hintergrund für das Präsidentenamt. Es stellt sich die Frage, ob Trump überhaupt wirklich Präsident werden will: Er muss wissen, dass er sich – wie der Zauberer von Oz – nur so lange als großartig und mächtig darstellen kann, bis er echte Wunder vollbringen muss.

„New Yorker Werte“

Ein ausgeformter Kandidat sticht unter all diesen eindimensionalen Figuren hervor: der Texaner Ted Cruz. Als einstiger Sieger der studentischen Debattiermeisterschaften der USA hat er seine Person absolut unter Kontrolle; nicht einmal Trump mit seinen wilden Angriffen auf die Wählbarkeit von Cruz (weil er in Kanada geboren wurde) schaffte es, ihn zu provozieren.

Tatsächlich ist es Cruz, der Trump dazu gebracht hat, sich zu winden. Bei einer der republikanischen Fernsehdebatten beschuldigte er Trump, „New Yorker Werte“ zu vertreten und bezeichnete die Stadt als „sozialliberal“ und auf „Geld und Medien“ fokussiert.

Cruz hat es nicht nur geschafft, Trump zu provozieren, sondern auch, seine eigene Attraktivität für konservative Wähler im Mittleren Westen und im Süden zu steigern, die New York als eine Art modernes Sodom und Gomorrha betrachten. Zugleich waren die New Yorker und viele andere über diese Aussage verstört: Nicht, weil die Stadt nicht sozialliberal und Heimat der US-Medien- und Finanzindustrie wäre, sondern weil die abwertende Verwendung des Begriffs „New York“ traditionell ein Code für Antisemitismus ist.

Hirnlos tun wie Sarah Palin

Mit seinem Aussehen kann Cruz, wenn nötig, so hirnlos tun wie Sarah Palin (die sich für Trump ausgesprochen hat). Freilich ist Cruz, der in Princeton und Harvard studiert hat, kein Narr. Er behandelt seinen Wahlkampf, so wie Bernays das einst gelehrt hat, als „Kampagne um Wählerstimmen, genau wie eine Werbekampagne für Ivory Soap Seife verkaufen soll.“

Trump ist ein Showman, aber Cruz ist ein Propagandist, der den Wählern eine vordergründig glaubwürdige Geschichte von echter Führung erzählt. Obwohl genauso wenig ein liebenswerter Charakter wie Hillary Clinton, wäre er ein würdiger Herausforderer bei einer Präsidentschaftswahl. Die Frage ist, ob die US-Bürger kaufen wollen, was die beiden anzubieten haben.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

Copyright: Project Syndicate, 2016.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

DIE AUTORIN


Nina L. Chruschtschowa
(*1964) studierte an der Moskauer Staatsuniversität und dissertierte an der Universität Princeton. Sie ist die Enkelin des früheren Sowjetführers Nikita Chruschtschow. Derzeit ist sie stellvertretende Dekanin der New School und Senior Fellow am World Policy Institute, an dem sie das Russland-Projekt leitet. Ihr neues Buch: „The Lost Khrushchev: Journey into the Gulag of the Russian Mind“. [ Project Syndicate ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.