Vom Hofball zum Opernball

Als Methode, den Opernball mit seinen Akteuren zu analysieren, empfiehlt sich die teilnehmende Beobachtung.

Warum ist der Opernball einzigartig? Weil er eine Mischung ist von einem Staatsakt und einer „Fledermaus“-Aufführung, bei der das Publikum auf der Bühne hopst und die Paraderolle des Frosch als Lustmolch ein greiser, sexualexhibitionistischer Baumeister spielt. Er verleiht dem Opernball höchsten Unterhaltungswert und weltweite Bekanntheit.

Wohlgemerkt, im schönsten Ballsaal der Welt, eröffnet durch ein Ballettensemble der Spitzenklasse und musikalisch begleitet von einem Orchester, das in seiner Qualität kaum noch zu überbieten ist.

Oft kopiert in aller Welt

Die Welt blickt morgen also wieder neidvoll nach Wien, wo bereits zum 60. Mal in der Staatsoper die Nacht hindurch Walzer getanzt wird. In mehr als einem Dutzend Städten – von Dresden bis New York – wird versucht, mit Opernball-Imitationen das Original zu kopieren. Vergeblich, und das macht uns glücklich.

Eine für die Republik existenzielle Frage wird allerdings nur unter vorgehaltener Hand gestellt: Sind die zwei Opernball-Kommentatoren des ORF adelig oder ist es nur einer – und wenn ja, wer von beiden? Höchste Zeit, diese Frage endlich authentisch zu beantworten.

Auf dem Hofball tanzte der Adel und wurde von Bürgerlichen kommentiert. Auf dem Opernball ist es umgekehrt. Die einzigen zwei als Aristos geltenden Frackträger sitzen während der ganzen Ballnacht unsichtbar, in ein Kämmerchen verbannt, und geben dem Rundfunk ihre Stimme zum Staatsgewalze. Wohlgemerkt, mit Humor vom Feinsten!

Titelverliebtes Österreich

Der eine ist Herr Wagner und sein gutbürgerlicher Name weist auf das ehrbare Handwerk des Wagenbauers hin. Der zweite ist Seine Durchlaucht Prinz von Hohenlohe-Schillingfürst und trägt einen ganzen süddeutschen Landstrich in seinem hochadeligen Namen. Aber der Erste hat den Zweiten mit der Zeit nomenklatorisch deutlich erkennbar überholt.

Schon der kleine Wagner-Bub wurde vorsorglich Christoph getauft und das klingt nun einmal deutlich nobler als das volkstümliche „Koarl“ für den Prinzenspross. Christoph Kardinal Graf Schönborn, heiliger Christophorus mit Herrn Jesus auf der Schulter usw. Aber Karl? Erinnert an „Herrn Karl“ des seligen Qualtinger oder an Sozi-Senior „Tscharli“ Blecha, was freilich keineswegs ehrenrührig sein muss.

Den Wagner hat der Christoph im Lauf der Zeit mit dem geschichtsträchtigen Trenkwitz bereichert und damit Herrn Hohenlohe, der sich wiederum des Schillingfürsts entledigt hat, hinter sich gelassen.

Den Opernball also kommentieren, wie es im titelverliebten Österreich so schön heißt, zwei, die adelig zu sein scheinen, besonders der eine, Christoph Wagner-Trenkwitz. Der andere, Karl Hohenlohe, scheint es aber „ned wirklich“ zu sein, denn er klingt echt nicht so.

. . . damit ist jeder glücklich

Das beweist ja schließlich die Boulevardpresse, die zwischen Sportreporter Hubertus von Hohenlohe und Opernball-Reporter Karl (ohne von) Hohenlohe unterscheidet. Offenbar also nicht einmal dem Kleinstadel zugehörig ist er, unser Koarl. Christoph Wagner-Trenkwitz klingt da schon ganz anders.

Es siegt jedoch letztendlich die normative Kraft des Faktischen und damit ist jeder glücklich. Bleibt nur noch der staatstragende kategorische Imperativ der Alpenrepublik: Alles Walzer, und damit Schluss! Basta!

Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. agr. h. c. Antal Festetics studierte Zoologie in Wien und lehrt Wildbiologie an der Universität Göttingen. Er war Begründer des WWF-Österreich, Initiator des Nationalparks Neusiedler See, Hainburg-Kämpfer für den Nationalpark Donauauen und ist langjähriger begeisterter Besucher des Wiener Opernballs.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2016)

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