Mit 66 Jahren fängt das Leben an? Nein, nicht in Österreich

Pensionspläne der Regierung sind für die älteren Menschen der blanke Hohn.

Mit 66 Jahren fängt das Leben an? Nicht, wenn es nach der österreichischen Bundesregierung geht. Die Nachrichten vom Regierungspensionsgipfel sind für viele arbeitswillige ältere Menschen ein blanker Hohn: Einerseits will man das „längere Arbeiten“ über das Regelpensionsalter (derzeit Frauen 60, Männer 65) hinaus „belohnen“, indem man für drei Mehrjahre Arbeit eine höhere Pension verspricht. Andererseits wird aber weder ein gesetzlicher Anspruch auf eine solche Weiterarbeit geschaffen noch sind effektiv genügend Arbeitsplätze für diese Altersgruppe vorhanden.

Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann ich dann vor dem Arbeits- und Sozialgericht meinen Willen, die drei weiteren Jahre über das Regelpensionsalter hinaus zu arbeiten, geltend machen? Einen Anspruch darauf habe ich ja nicht.

Besonders leistungsfeindlich und dazu weltfremd klingt die geplante Bestrafung derjenigen, die nach ihrer Regelalterspensionierung weiter arbeiten wollen oder müssen, zumal sich die Regierungsparteien in diesem Punkt selbst radikal widersprechen, indem sie unter anderem weitere berufliche Aktivität – gerade bei Senioren – befürworten. Diese berufliche Aktivität ist für viele ASVG-Pensionisten als Zuverdienst notwendig, um ein würdiges Leben in der Pension führen zu können.

(K)ein würdiges Leben im Alter

Ob dieses würdige Leben bedeutet, dass man sich auch im Alter schöne oder notwendige Dinge leisten möchte – Theater- oder Konzertkarten, ein Buch, einen Restaurantbesuch, eine Reise, ein Geschenk für Kinder, Enkel, Freunde oder auch eine neue Waschmaschine, eine Haushaltshilfe usw. –, ist eine individuelle Definition.

Mit den geplanten finanziellen Restriktionen würde die Regierung dieses Recht auf ein würdiges Leben im Alter dramatisch beschneiden und die Selbstbestimmung dieser Altersgruppe unzulässig reduzieren. Arbeitende Senioren und Seniorinnen zahlen nämlich Einkommensteuer (und sogar SVA-Beiträge, wenn sie als Selbstständige die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten), kurbeln den Konsum an, was wiederum dem Staat Einnahmen beschert.

Finanzielle Bestrafung

Auf der anderen Seite bedeutet berufliche Aktivität im Alter das Weitergeben von Erfahrung, Kompetenzen und Wissen, von denen die Jüngeren profitieren können. Und: Es gibt Berufe, in denen viele ältere Experten als Selbstständige arbeiten; dazu zählen etwa Sachverständige und beeidete Gerichtsdolmetscher, die bereits eine ASVG-Pension (aus einem anderen Dienstverhältnis) oder eine SVA-Pension als Selbstständige beziehen.

Sollte die finanzielle Bestrafung dieser Regelpensionsbezieher tatsächlich Gesetz werden, würden viele von ihnen ihre Tätigkeit für die österreichische Rechtspflege, Verwaltungsbehörden, die Polizei und andere öffentliche Einrichtungen stark einschränken müssen, um keine Pensionsnachteile zu erleiden. Die Folgen wären dramatisch, zumal etwa die Ausbildung von professionellen und zertifizierten Gerichtsdolmetschern nicht in einem Schnellsiedekurs bewerkstelligt werden kann.

Die im Gegenzug versprochene Halbierung des Pensionsbeitrags (den jede Pensionistin und jeder Pensionist zu leisten hat) bei längerer Lebensarbeitszeit klingt angesichts des „Strafabschlags“ für eine Erwerbstätigkeit in der Regelalterspension nur noch zynisch. Inmitten von Aufforderungen zu beruflicher Flexibilität, Aktivsein im Alter, Leistung und lebenslangem Lernen singt die Politik den Älteren etwas vor: Leider kein fröhliches Lied!

Mag. phil. Paulina Klotz (*1962), Germanistin, Fachübersetzerin und Konferenzdolmetscherin, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin, unterrichtet seit 2003 als Lektorin am Zentrum für Translationswissenschaft der Uni Wien.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.