Vom richtigen Umgang mit schwierigen Kindern

Die Neue Autorität in der Schule als Grundlage für ein erfolgreiches Unterrichten.

Ich danke Professor Rudolf Taschner für sein „Quergeschrieben“ zur Erziehungssituation in Österreich (24. März), in dem er sich auch auf meine in einem „Presse“-Interview gemachten Ausführungen bezieht. Dabei hat er mich zum Universitätsprofessor gemacht. So einer bin ich nicht. Ich leite ein Institut für Kind, Jugend und Familie in der Steiermark, in dem an die 40 Psychologinnen, Psychotherapeutinnen und Sozialpädagoginnen angestellt sind. Seit über 20 Jahren arbeiten wir mit hoch schwierigen Kindern, Jugendlichen und Familien. Ich habe sehr viele Stunden mit Gruppen schwieriger Jugendlicher verbracht und auch einiges an Zeit in Schulklassen.

Als Zweites möchte ich mich bei Herrn Taschner dafür bedanken, dass ich etwas dazulernen durfte. Ich glaube, ich werde in Zukunft zu so komplexen Themen wie der Neuen Autorität keine so kurzen Interviews mehr geben. Das führt offensichtlich zu Missverständnissen. Daher nochmals, worum es bei der Neuen Autorität in der Schule aus meiner Sicht geht.

Es geht um die Stärkung von Lehrerinnen und Lehrern sowie der Strukturen in der Schule, damit diese in herausfordernden Situationen ihren Job gut machen können. Es geht darum, wie ein Lehrer in der Klasse souverän bleiben kann, wenn er von einem 14-Jährigen untergriffig angepöbelt wird; oder wie ein HTL-Junglehrer stark und souverän mit 30 jung pubertierenden Jugendlichen umgehen kann.

Strafen ja, aber keine Gewalt

Dabei zeigen die Erfahrungen des Institutes für Kind, Jugend und Familie: Das geht nicht mit Gewalt. Vielleicht manchmal mit Strafen, das räume ich durchaus ein. Aber vor allem gelingt dies durch das Vermitteln einer klaren, souveränen Haltung und durch Widerständigkeit und Unterstützung. Wann kann eine Kollegin ihren Job weiter gut machen? Dann, wenn sie Unterstützung hat. Dann, wenn sie vielleicht auch mit der Unterstützung des Vaters rechnen kann, den der Schüler als Druckmittel einsetzen will. Auf das Netzwerk kommt es an. Dann entstehen Stärke und Respekt, so wie überall anders auch. Erfolgreiches Miteinander entsteht nicht durch Druck und Nötigung, sondern durch Anerkennung, Unterstützung und Respekt.

Angst vor Ausgrenzung

Strafen, um Ordnung herzustellen – das klingt verlockend und mag in spieltheoretischen Experimenten durchaus nachweisbar erfolgreich sein. Aber was bewirkt Strafe eigentlich? Die Effizienz der Strafe, auch in dem von Taschner zitierten Experiment, lebt von der Angst, ausgegrenzt oder ausgeschlossen zu werden, nicht weiter dabei sein zu dürfen, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Das schafft Ruhe und Eingliederung, aber noch keine Bedingungen, um mit Begeisterung zu lernen.

Für eine erfolgreiche Praxis des Schulalltags und des Unterrichtens von manchmal schwierigen Kindern und Jugendlichen braucht es mehr. Die Neue Autorität bietet meiner Meinung nach ein gutes Werkzeug: Struktur, Widerstand und Unterstützung, Deeskalation und Begegnung.

Das erhöht nach unseren Erfahrungen die Wahrscheinlichkeit eines konstruktiven Miteinander und eines erfolgreichen, für alle zufriedenstellenden Unterrichts.

Im Übrigen glaube ich, dass Professor Taschner und wir, was unsere Wünsche und Ambitionen und was die Zukunft der Schulen in Österreich und die Zukunft unserer Schüler angeht, gar nicht so weit auseinanderliegen. Am besten wäre wohl, das einmal gemeinsam zu diskutieren.

Dr. Philip Streit ist Psychologe, Psychotherapeut und Leiter des Institutes für Kind, Jugend und Familie in Graz, des größten Familientherapiezentrums der Steiermark. Seit 1994 arbeitet er mit Kindern und Jugendlichen in Familie und Schule.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)

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