In der jetzigen Konstruktion hat die ÖVP keine Zukunft

Die Volkspartei hat nur eine Überlebenschance, wenn die Parteiführung ausschließlich von Bundespolitikern gestellt wird.

Das Abschneiden der ÖVP tut weh. Noch bitterer ist die Erkenntnis, dass damit das Aus der bisherigen ÖVP besiegelt ist. Es liegt weder am Kandidaten noch am niederösterreichischen Verhalten oder an der Qualität der Kampagne. Das Ergebnis ist der Beweis, dass diese Partei in ihrer Konstruktion und mit einem Programm der Beliebigkeiten einfach keine Zukunft hat.
Dass der Befund für die SPÖ nicht viel anders ausfällt, ist da kein Trost. Seit Monaten ist klar, dass die ehemaligen Großparteien keine Regierungsmehrheit mehr haben und es beinahe unmöglich geworden ist, geeignetes Personal für politische Ämter zu rekrutieren. Was sind die fundamentalen Mängel dieser Misere?
1. Der Anspruch der Volkspartei, alle Bürgerinnen und Bürger vertreten zu wollen, taugt nicht mehr. Wer behauptet, alle Interessen vertreten zu wollen, vertritt eigentlich keines.
2. Die Bündestruktur hat sich überlebt. Die bündische Vertretung hat sich auf die Bauern, die Gewerbetreibenden und die Beamten reduziert, alles schrumpfende Gruppen, die ohnedies kaum eine Alternative zur ÖVP haben, weil andere Parteien ihre Interessen nicht vertreten.
3. Das größte Problem in der ÖVP ist das Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Die verbliebenen starken Landesparteien sehen in der Bundespartei ihr Sprachrohr, das die Länderwünsche zu vertreten habe. Falls nicht, drohen Geld- und Liebesentzug. Die Länderchefs befinden sich allerdings selbst in einer unmöglichen Situation. Jeder Landesparteichef muss ja für seine Landesinteressen kämpfen, um gewählt zu werden. Er nützt daher seinen Einfluss, um Entscheidungen auf Bundesebene durchzudrücken oder Beschlüsse, die gegen seine Interessen gerichtet sind, zu verhindern. Wo bleibt da aber noch Raum für das gesamtösterreichische Interesse? Wie kann der Bundesparteiobmann sein Profil schärfen, wenn ihm ständig jemand ins Lenkrad greift?

Neues Denken, frische Köpfe

Der Punkt ist, dass sich das traditionelle System ÖVP überlebt hat und halbherzige Reparaturen zwar das Ende noch einige Zeit hinauszögern, aber nicht verhindern können – einzelne Erfolge auf Landesebene hin oder her. Die ÖVP hat in ihrer jetzigen Konstruktion keine Zukunft. Ihr geht es genauso, wie es den meisten Mitte-rechts-Parteien in Europa inzwischen schon ergeht beziehungsweise ergangen ist: Sie wird auseinanderfallen. Spätestens, wenn nach der nächsten Wahl nur mehr eine Regierungsbeteiligung unter Führung der FPÖ möglich sein wird, ist es so weit. Oder sogar schon vorher, wenn neben den Neos weitere bürgerliche Listen zur Wahl antreten werden.
Wie soll es weitergehen? Die Volkspartei hat nur eine Chance, wenn die Parteiführung ausschließlich von Bundespolitikern gestellt wird. Dieses Gremium muss auch das Recht haben, allein die den Bund betreffenden Personalentscheidungen zu treffen.
Inhaltlich muss sich die ÖVP auf die bürgerlichen Tugenden, auf Europa und auf Nachhaltigkeit besinnen. Frauen, junge Menschen und all jene, die einen Hang zum Unternehmertum und zu Neuerungen haben, aber auch zu mehr Gerechtigkeit, müssen zum Rückgrat der Partei werden.
Wer ein bürgerliches Österreich will, muss sich jetzt einbringen. Denn etwas Neues kann nur mit frischen Köpfen aus allen Bereichen der Gesellschaft entstehen.
Gegen die Populisten von rechts und links wird die ÖVP nur erfolgreich sein, wenn sie aufhört, nach jeder Niederlage einen Teil von deren Argumenten zu übernehmen, und wenn sie sich stattdessen daran erinnert, dass in der Politik die Offensive immer noch die beste Verteidigung ist.

Franz Fischler (geb. 1946 in Absam) war EU-Landwirtschaftskommissar und ist seit 2012 Präsident des Europäischen Forums Alpbach.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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