Warum die SPÖ verliert

Die Sozialdemokratie muss sich wieder auf ihre Werte besinnen, sonst wird sie wertlos und landet auf dem Abstellgleis.

Arbeit, soziale Gerechtigkeit und gute Bildung für alle sind klassische sozialdemokratische Kernkompetenzen und Grundwerte. Es kommt einem als Beobachter aber so vor, als ob selbst die SPÖ nicht mehr an diese – ihre ureigenen – Aufgaben glaubt, geschweige denn ihre potenziellen Wähler.

Gelähmt in der Regierung, zittert die einst so stolze Partei wie das rote Kaninchen vor der blauen Schlange. Ja, das Flüchtlingsthema bewegt die Menschen – aber aus Angst davor, durch größere Verteilung noch mehr vom eigenen, hart erarbeiteten Wohlstand zu verlieren. Nicht Kriegsflüchtlinge sind das Problem, sondern, dass es zu wenig Arbeitsplätze gibt; dass schon jetzt das Bildungssystem nicht funktioniert; dass die Integration versagt und die Steuern- und Abgabenquote viel zu hoch ist.

Wäre Österreich ein Arbeitsmarkt, der dringend Arbeitskräfte benötigen würde, und würde die Integration funktionieren, dann wäre Migration nicht das Kernthema jeder politischen Auseinandersetzung. Gerade der SPÖ-Wähler wünscht sich Sicherheit und Gerechtigkeit. Die Sozialdemokratie überlässt dieses Feld aber der FPÖ und versucht mittlerweile, die Freiheitlichen in deren Kernkompetenz Ausländerpolitik rechts zu überholen. Eine fragwürdige Politik – noch dazu, da Zuwanderer künftig das größte sozialdemokratische Wählerpotenzial bilden.

Ein zerstrittener Haufen, unfähig, Lösungen zu finden – und mit einem Parteivorsitzenden, der offenbar nur mehr auf seinem Sessel kleben darf, weil man sich bisher auf keinen geeigneten Nachfolger einigen konnte: Das ist der Eindruck, den die einst so geschlossene Partei nach außen vermittelt.

Opposition als Ausweg?

Aber wie löst man das Dilemma? Gang in die Opposition? Auch 1999 war die SPÖ nach den verlorenen Wahlen in einer ähnlichen Situation und hat sich mit dem Verlegenheitsobmann Alfred Gusenbauer in der ungeliebten Opposition prozentuell wieder erholt, während Schwarz-Blau die ungeliebte Reformarbeit erledigte und dafür abgestraft wurde. Nur müsste diesmal erledigt werden, was 2000 bis 2007 versäumt wurde – nämlich eine inhaltliche, personelle und vor allem strukturelle Neuaufstellung.

Die Partei muss sich öffnen und darf sich nicht mehr vor dem Internet fürchten. Es braucht eine SPÖ 2.0, die nicht mehr in Sektionen, sondern in Interaktionen denkt. Man darf sich nicht fürchten, links zu sein, das tut auch die FPÖ in vielen Themen nicht. Man darf sich nicht fürchten, wieder in Konfrontationen zu gehen, denn soziale Errungenschaften wurden erstritten, nicht erstreichelt.

Und eine Parteispaltung? Wenn eine wirklich linke Partei in Österreich nach dem Vorbild der deutschen „Die Linke“ auf Dauer Platz hätte, wäre sie schon längst erfolgreich gegründet worden. Das heißt nicht, dass dies auf ewig ausgeschlossen ist. Aber der klassische österreichische Linksintellektuelle spricht die Kernwählerschaft der Arbeiter ungefähr gleich an wie Schönbergs Zwölftonmusik.

Fazit: Die SPÖ muss sich wieder auf ihre Werte besinnen, sonst wird sie für den Wähler wertlos und landet auf dem Abstellgleis. Wie so viele stolze Parteien vor ihr, die vergessen haben, rechtzeitig in den Zug der Zeit einzusteigen.

Heimo Lepuschitz war Pressesprecher von FPÖ-Parteiobfrau Ursula Haubner und später des BZÖ. Heute akademischer Kommunikations- und Politikberater.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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