Es braucht Wege legaler Immigration in Europa

Der Kontinent braucht eine Einwanderungspolitik mit klaren Regeln.

Österreichs Regierung hat in bester Gartenzwergmentalität Zäune gebaut und begräbt damit mutwillig den Grundsatz, dass wir in der EU Dinge gemeinsam angehen. Als Grabstätte hat man sich dabei den Brenner ausgesucht, eines der wichtigsten Symbole europäischer Freiheit.

Die Menschen in Europa sind zu Recht verunsichert. Aber wir helfen ihnen nicht, indem wir uns weiter davor drücken, die Dinge beim Namen zu nennen und stattdessen Alibiaktionen durchführen. In Wahrheit ist Europa über die vergangenen hundert Jahre vom Auswanderungskontinent zum Einwanderungskontinent geworden und wird es auch bleiben.

Stellen wir uns darauf ein, dass Europa in 30 Jahren kulturell und demografisch anders aussehen wird als heute. Deshalb brauchen wir in Österreich und in Europa eine aktive und durchdachte Einwanderungs- und Integrationspolitik mit klaren Regeln und Wertegrundlagen, die alle Menschen, die hier heimisch werden wollen, akzeptieren müssen.

Die Fluchtgründe der Menschen aus Krisengebieten sind legitim. Niemand verlässt seine Heimat leichtfertig. Dennoch heißt das nicht, dass Europa alle aufnehmen kann. Unreflektierte Forderungen dahingehend kommen oft von jenen, die sich nie mit sozialen Konflikten auseinandersetzen müssen, die unkontrollierte Einwanderung mit sich bringen können.

Dringender Handlungsbedarf

Wie kann es also weitergehen? Erstens braucht es massive, solidarische Unterstützung der jetzigen Gastländer von Flüchtlingen aus Syrien. International erfahrene Flüchtlingshelfer wie Kilian Kleinschmidt weisen zu Recht darauf hin, dass auch Libanon oder Jordanien deutlich mehr Aufmerksamkeit und Finanzhilfen aus Europa benötigen. Mit der Türkei allein lässt sich die Herausforderung nicht bewältigen. Die Milliarde für das Heer mag grundsätzlich Sinn machen, wäre zu diesem Zeitpunkt aber besser bei der UNHCR im Nahen Osten angelegt. Und auch strukturell gibt es dringenden Handlungsbedarf.

Modell Kanada zeigt es vor

Warum politisch Verfolgte noch immer keine Möglichkeit bekommen, Asylanträge auch außerhalb Europas zu stellen, bleibt ein Rätsel. Auf diplomatischer Ebene müssen weiter alle Bemühungen darauf gerichtet sein, den Krieg in Syrien zu beenden.

Zusätzlich müssen wir ein klares Angebot für all jene schaffen, die das Versprechen Europas von Freiheit, Solidarität und Gleichheit suchen und diese Werte teilen. Es braucht Wege legaler Immigration.

Auf der Welt gibt es viele Menschen, für die diese Werte mehr bedeuten als für manchen nur scheinbar freiheitlich Gesinnten. Wir müssen also endlich gemeinsam festlegen, unter welchen Bedingungen jemand in Europa auch ohne Asyl sesshaft und heimisch werden kann. Das Modell Kanadas weist den Weg. Wenn das alles geschehen ist, dann sollten Flüchtende, die an den Grenzen Europas landen, rückgeführt werden, um vor allem das kriminelle Schlepperwesen zu unterbinden und unsteuerbaren Fluchtbewegungen Einhalt zu gebieten.

Auf die Lösung der aktuellen Lage gibt es keine einfachen Antworten. Geduld und politische Ausdauer sind gefragter denn je. Darüber hinaus werden wir mit Konzepten aus nur einem Lager nicht weiterkommen.

Der Prozess ist mühsam, langwierig und anstrengend. Mit Ehrlichkeit zu beginnen wäre ein guter Anfang. Das wird wohl eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Kanzlers sein. Eine 100-tägige Schonfrist sieht die derzeitige politische Dynamik nicht vor.

Philippe Narval ist Geschäftsführer des Europäischen Forums Alpbach, das sich heuer intensiv mit der künftigen Außen- und Sicherheitspolitik Europas beschäftigen wird.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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