Papst Franziskus und die Frauen

Eine Kirchenreform wie die vom Papst neuerdings angedachte Öffnung des Diakonats für Frauen wird nicht ohne Ausdauer und Geduld gelingen. Auf die erste Päpstin wird man allerdings noch länger warten müssen.

Frauen stellen im katholischen Kirchenalltag unübersehbar die aktive Mehrheit dar. Dennoch wird ihnen innerhalb der hierarchischen „Männerkirche“ seit Jahrhunderten nur der dienende Bereich zwischen Küche und Kirche zugewiesen.

Auf das, was in den Ländern mit hoher Allgemeinbildung selbstverständlich ist – die Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau –, muss die weltweite Kirchenreform noch immer geduldig warten.

„Danke, ihr habt mir neue Anstöße gegeben, über Dinge nachzudenken“, sagte Franziskus nach einem öffentlichen Gespräch bei einer Audienz am 12. Mai mit 900 Oberinnen katholischer Frauenorden aus aller Welt in Rom.

Es ging um eine Anfrage, ob man das ständige Diakonat für Frauen öffnen könne. Das ist deshalb bedeutsam, weil es sich dabei um die erste Stufe der dreistufigen Priesterweihe – Diakon, Priester und Bischof – handelt.

Bevormundung auf ewige Zeit?

Das Problem ist Kennern allerdings bekannt: Die Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt wurde 1994 von Papst Johannes Paul II. ausdrücklich als für alle Zeiten unabänderliche kirchliche Lehre definiert. So stößt der aufgeflammte innerkirchliche Diskurs auf eine jener hochproblematischen päpstlichen Entscheidungen, die mit dem Vermerk, für alle Zeiten gültig zu bleiben, ein Kernproblem katholischer Lehre offenlegen.

Um es scharf und pointiert zu formulieren: Kann ein Papst als oberster Lehrer der Kirche auch alle seine Nachfolger für ewige Zeiten bevormunden? Man kann es auch weniger provokant aussprechen: Sind Religionsführer wirklich gut beraten, wenn sie Regeln für alle Zukunft festschreiben, ohne diese Zukunft überhaupt zu kennen? Oder unhöflich formuliert: Ist es nicht von kräftiger Überheblichkeit, wenn ein Mensch meint, eine Regel für alle künftigen Zeiten – unter welchen Erkenntnissen und Bedingungen auch immer – festlegen zu können?

Tatsächlich haben sich Papst und Lehramt an die Regel der „stets gleichbleibenden Lehre der Kirche“ nicht immer gehalten. Denn sonst könnte eine Glaubensgemeinschaft angesichts der oft geradezu dramatisch neuen Erkenntnisse der Wissenschaft, der Technik, der Kultur und der Formen des Zusammenlebens kaum Bestand haben.

Die Sammlung der sich in den beiden Jahrtausenden verändernden Kirchenlehren würde dicke Bände füllen. Denn die Lebendigkeit kirchlichen Lebens ereignet sich seit jeher geradezu dialektisch zwischen zwei Polen: einerseits der in ihren Fundamenten „stets gleichbleibenden Lehre der Kirche“; andererseits den vielen Wandlungen der „ecclesia semper reformanda“.

Zwischen Dogma und Reform

Die Spannung zwischen Dogmatismus und Reformbereitschaft zieht sich durch die gesamte Kirchengeschichte: konfliktreich manchmal, oft auch mit bösen Folgen in den Kreuzzügen, den Ketzer- und Hexenverfolgungen – doch auch in großen und reinigenden Reformbewegungen wie dem 2. Vatikanischen Konzil (1962–65). Dort waren erstmals jene christlichen Kirchen als Gäste geladen, die man früher mit Feuer und Schwert bekämpft hatte. In der Folgezeit entstanden verständnisvolle und freundliche Begegnungen zwischen den verschiedenen Konfessionen, Kirchen und Religionen – bis zu Kooperationen, etwa in der Katastrophenhilfe und mit gemeinsamen Festen. Sogar der in manchen Weltgegenden wütende Islamismus verhindert nicht, dass es anderswo Kontakt zu einem offenen und begegnungsbereiten Islam gibt.

Von den 900 reformorientierten Nonnen in Rom mit ihren Reformwünschen konfrontiert, antwortete Franziskus: „Es gilt immer das, was ich früher gesagt habe: Es ist das Urteil der Ordensfrauen zu suchen, denn die Frau sieht die Dinge gemäß ihrer Eigenart, die sich von jener der Männer unterscheidet – und das bereichert: sowohl bei Beratungen als auch bei Entscheidungen, und auch im Konkreten.“ Damit begann ein offensichtlich verständnisvoller Diskurs zwischen den Ordensgemeinschaften, ihren Sprecherinnen und dem Oberhaupt einer rein männlichen Hierarchie.

Eine Kommission soll prüfen

Das geschah nicht nach bisheriger vatikanischer Gewohnheit im Befehlston früherer Zeiten, sondern freundlich und anekdotisch aufgelockert. So erzählt Franziskus Episoden aus der Kirchengeschichte: „Wenn ein Mann seine Frau schlug und diese zum Bischof ging und sich beschwerte, waren die Diakonissen beauftragt, die blauen Flecken, die auf dem Körper der Frau durch die Schläge des Mannes hinterlassen worden waren, zu sehen und den Bischof zu informieren.“

Für Aufsehen sorgte Franziskus mit der Ankündigung, er wolle eine Kommission einrichten, um die Zulassung von Frauen zum Weiheamt als Diakonin aus historischer und theologischer Sicht zu prüfen. Eine bloße Segnung statt des Sakramentes – wie es bisher aus vatikanischen Kreisen beschwichtigend angeboten wurde – würde dem Anliegen der Ordensfrauen nicht gerecht.

Zum Stand der Forschung berichtet der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf: „Es besteht kein Zweifel daran, dass es über Jahrhunderte in der Kirche Diakoninnen gab, die in einem analogen Ritus wie dem für Männer ordiniert wurden: Diakoninnen gab es in der alten Kirche, in der Ostkirche ohnehin und bei uns in der Westkirche bis ins 12. oder 13. Jahrhundert.“

Sollte die historische Überprüfung ergeben, „dass es in der Tradition über 1000 Jahre Frauen gegeben hat, die eine sakramentale Diakonatsweihe gehabt und vielleicht auch während der Messe das Evangelium verkündet haben – eine der vornehmsten Aufgaben dieses Amtes –, dann kommt man an diesem Faktum nicht vorbei.“

Dialektik zwischen Alt und Neu

Dazu stellt sich die Frage, weshalb die Kirche – ungeachtet altehrwürdiger Traditionen – nicht auch mutig neue Wege beschreiten sollte. Die Meinung, die Kirche bekäme nur im Blick zurück ihre Legitimation für die Zukunft, kann als typisch katholische Verengung bezeichnet werden. Denn die Lebendigkeit besteht ja gerade in der Dialektik von Alt und Neu – oder von bereits Erprobtem und dem, was man neu erproben muss.

Letztlich steht im Hintergrund all dieser Überlegungen ein Menschenbild, das sich in den vergangenen Jahrhunderten aus dem vormaligen Patriarchat und dessen autoritärer Beschaffenheit zu einem christlichen Menschenbild entwickelt hat, in dem vor Gott alle gleich sind an Rechten, Würde und – geistlich gesagt – Gnade vor Gott und den Menschen.

Ein bekümmertes Postskriptum: Die in manchen Ländern extrem beschnittenen Rechte der Frauen machen es wohl notwendig, dass viele Reformen, die in unserem Kulturkreis selbstverständlich wären, andernorts noch viel Zeit und Aufklärungsarbeit brauchen. Auch Kirchenreform gelingt nicht ohne Ausdauer und Geduld. Mit kleinen Schritten zwar, doch nicht ohne Zielstrebigkeit. Auf die erste Päpstin wird man allerdings wohl noch länger warten müssen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Prof. Peter Paul Kaspar (* 1942 in Wien) studierte Musik und Theologie in Wien und Innsbruck. Jugend- und Studentenseelsorger in Wien, danach Akademiker- und Künstlerseelsorger in Linz. Unterrichtete Religion am Gymnasium, derzeit Rektor der Ursulinenkirche Linz. Verfasste über 30 Bücher und ist Vorstandsmitglied der Pfarrerinitiative.

(Print-Ausgabe, 03.06.2016)

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