RH-Neubesetzung als Nagelprobe

Gastkommentar. Ist der Rechnungshof vielleicht Teil des Problems, das er bekämpfen soll?

Dieser Tage ist viel die Rede vom Neubeginn in der Politik, von Ergebnissen, die es zu erzeugen gilt, von neuer Kultur der Kooperation und der Innovation des öffentlichen Handelns. Mit der Neubesetzung der Spitze des RH könnte eine erste Nagelprobe dieser guten Absichten vorliegen. Doch die öffentliche Debatte darüber ist bisher eher durch politisches Hickhack über Nominierungen als über die künftigen Anforderungen an diese Institution und an ihre Leitung geprägt. Man vermisst Debatten darüber, wie das Parlament die geleistete Arbeit des RH einschätzt, welche künftige Strategie der überbürokratisierte RH verfolgen soll, welche Kriterien bei der Auswahl der Leitung den Ausschlag geben sollen?

Wenn der RH als ein Organ des Parlaments die Regierungsarbeit besser als bisher prüfen und damit unterstützen soll, gilt es zu erkennen, dass ein gewaltiges Strategiedefizit besteht, das eine sachliche Neuausrichtung erforderlich macht. Wenn Präsident Moser seit Jahren gebetsmühlenartig seine über hundert Forderungen zur Verwaltungsreform herunterhaspelt, bedeutet das wohl, dass auch der RH die Verwaltungsreform nicht richtig anpackt, weil entscheidende Fragen zu wenig behandelt und politisch thematisiert worden sind.

Damit wir uns richtig verstehen: Das Amtsverständnis und die vorrangige Arbeit des RH, nicht die Leistung der Prüferinnen und Prüfer, gilt es politisch – also seitens der Legislative – zu bewerten bzw. zu klären. Einige Punkte sind entscheidend, etwa
• welches Verständnis von Politik- und Verwaltungsreform heute die RH-Arbeit dominiert und welches künftig gelten soll,
• welche Prüfziele des RH maßgeblich wären,
• wie sich der RH als öffentliche Institution positionieren soll.

Politik- und Verwaltungsreform sind gemeinsam zu behandeln, denn es geht mehr denn je um die Wirkungen des öffentlichen Handelns, also um den gesellschaftlichen Nutzen unter Abwägung der oft divergierenden Interessen und der zu erwartenden Kosten (Lasten). Gesundheits-, Bildungs- oder Klimapolitik, der gesamte Bereich der öffentlichen Förderungen brauchen koordinierte Leistungen vieler öffentlicher Einrichtungen.

Strategische Entscheidungen

Dafür sind v. a. verbindliche strategische Entscheidungen, sorgsames Abwägen auch der langfristigen Auswirkungen und Überprüfen des Erreichten notwendig. Deshalb ist klar, dass auch die Prüfarbeit in interdisziplinären und/oder in ebenenübergreifenden Projektgruppen (RH, Landes-RH) erfolgen muss, dass die fehlenden Strategien zu benennen, ebenso die Ergebnisse einschlägiger Studien aufzugreifen wären.

Der Finanzausgleich als eine strategisch bedeutende politische Materie der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben ist ein Beispiel dafür. Er wurde hinsichtlich der strukturellen Neuausrichtung, wie sie von allen anerkannten Beratungs- und Forschungseinrichtungen des öffentlichen Sektors (z. B. Wifo, IHS, TU, KDZ) bisher vorgeschlagen wurde, vom RH sorgsam ausgeklammert. Mit anderen Worten: Es finden sich viele politisch-strategisch bedeutsame Materien nicht auf der Prüfagenda des RH, dagegen dominieren Effizienzbetrachtungen. Die seit Jahren bereits geltende Wirkungsorientierung, also die Effektivität, hat eindeutig einen zu geringen Stellenwert.

Die Abgeordneten des Parlaments haben es nun in der Hand, die Arbeit des RH neu auszurichten. Es geht um eine inhaltliche Öffnung der Prüfarbeit, um eine verstärkte sachliche Orientierung an den Strategien sowie an den schwierigen Querschnittsmaterien. Es gilt ebenso, einen Beitrag zur Evaluierungskultur zu leisten. Ein effektiverer RH würde dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern gute Dienste leisten.

Dr. Helfried Bauer ist ehemaliger Leiter des Kommunalwissenschaftlichen Dokumentationszentrums – Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) und Finanzwissenschafter an österreichischen Universitäten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)

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