Mehr Zivilcourage und individuelles Engagement

Was wir alle vom Jahrhundertsportler Muhammad Ali lernen können.

Muhammad Ali war zweifelsohne eine der erfolgreichsten und auch politisch prägendsten Sportlerpersönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts. Im Ring wie auch im Leben eine Ausnahmeerscheinung. Er setzte sich gegen den Vietnamkrieg und für Bürgerrechtsbewegungen ein und zahlte dafür seinen Preis. Im ersten Fall verlor er sogar für einen längeren Zeitraum seine Boxlizenz und damit auch die besten Jahre als Boxer. Doch was können wir alle von einem Muhammad Ali lernen?

Der Jahrhundertathlet war nicht gerade für seine leise und zurückhaltende Art bekannt. Ali war aber nicht nur ein reiner Sprücheklopfer und kreativer Reimer, bei dem es bei bloßen Ankündigungen geblieben ist, es sind auch große Taten in Form von drei Boxweltmeistertiteln im Schwergewicht gefolgt.

Sein persönliches Engagement fernab des Sports für Menschenrechte, gegen Diskriminierung und in Zusammenhang mit der Krankheit Morbus Parkinson, die sein letzter großer Kampf im Leben war, ist da nicht minder erwähnenswert. Er war eindeutig ein Sportler und ein Mensch mit einer klaren Werthaltung, dem es auch wichtig war, für seine inneren Überzeugungen außerhalb des Boxrings einzustehen.

Es stellt sich aber die Frage, warum es heutzutage an Persönlichkeiten vom Kaliber eines Muhammad Ali mangelt. Hat die Gesellschaft ihren Hunger nach Veränderung verloren oder gibt es nichts mehr, wofür es sich im wahrsten Sinne des Wortes zu kämpfen lohnt? Nein, sicher nicht. Gerade die aktuellen schwierigen Zeiten in ganz Europa und auf der Welt, in denen ein Werteverfall einsetzt und mit Feindbildern politisches Kleingeld gemacht wird, verlangen nach Menschen und Persönlichkeiten mit höheren Idealen und Visionen.

Sich für die Benachteiligten und Unterdrückten einzusetzen, war dem Sportler wie auch dem Menschen Muhammad Ali bis zu seinem Lebensende ein Anliegen. Diese Zivilcourage, auch verbunden mit dem Risiko, selbst Nachteile in Kauf zu nehmen, ist wieder von jedem Einzelnen aber auch von der Politik gefragt.

Doch was unterscheidet beispielsweise einen Christian Kern von einem Muhammad Ali? Große Ankündigungen haben beide gemacht. Der eine hat im Ring und in Bürgerrechtsbewegungen bewiesen, dass er ein wahres menschliches Schwergewicht ist. Der andere wird es unter Beweis stellen müssen und seinen Mann im politischen Ring und bei den Menschen stehen müssen, will er nachhaltig erfolgreich sein.

Welchen Nachlass hat Cassius Clay alias Muhammad Ali uns nun hinterlassen? Persönlichkeitstypen wie Muhammad Ali sind nicht immer angenehm, da sie aufgrund ihres Naturells nicht angepasst und gesellschaftskonform agieren. Sie sind aber für die Sozialhygiene und den sozialen Fortschritt einer Gesellschaft unabdingbar, da sie als wahre Katalysatoren fungieren. Daher sind sie, so irritierend sie oft auf andere Menschen wirken mögen, für ein funktionierendes soziales System essenziell.

Immer wieder aufstehen

Sich für seine Überzeugungen und seinen Glauben einzusetzen, ist niemals falsch. Wer sich für seine Werte einsetzt, kann manchmal einen Preis dafür zahlen, wird aber dafür erhobenen Hauptes durchs Leben gehen. Man darf, frei nach Muhammad Ali, nur niemals aufgeben. Es ist auch nicht schlimm, einmal zu Boden zu gehen, wichtig ist nur, dass man wieder aufsteht. In diesem Sinne steckt in jedem von uns ein kleiner Muhammad Ali.

Denn wie sagte dieser einmal treffend: Um ein großer Champion zu sein, musst du daran glauben, der Beste zu sein. Wenn du es nicht bist, tue wenigstens so.

Der Autor ist Leiter des Humaninstituts Vienna.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)

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