Die „Koalition der Willigen“ muss endlich liefern

Warum Europa endlich eine Finanztransaktionssteuer braucht.

Am Rand des Euro-Finanzministerrats in Luxemburg trifft heute die „Koalition der Willigen“ erneut zusammen, um über die Finanztransaktionssteuer zu beraten. Im Vorfeld dieses Treffens wurden gestern kleine Fortschritte signalisiert, bis Herbst werden zwei Expertengruppen tagen. Die endgültige Einigung steht jedoch aus. Je länger die Finanzminister uneins sind, desto geringer sind die Chancen für eine Umsetzung. Die Verhandlungen dürfen sich nicht noch weiter in die Länge ziehen. Kurzum: Es ist höchste Zeit zu liefern. Europa braucht die Finanztransaktionssteuer.

Vor drei Jahren verpflichteten sich unter sozialdemokratischer Führung elf Mitgliedstaaten dazu, eine Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen. Alle anderen winkten ab. Die „Koalition der Willigen“ zählt mittlerweile nur noch zehn EU-Länder – Estland ist abgesprungen. Neben Österreich und Deutschland halten noch Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, Portugal, Griechenland, die Slowakei und Slowenien an diesem Projekt fest. Sollte noch ein weiteres Land abspringen, ist ein Scheitern kaum noch abwendbar.

Die Finanzbranche ist nach wie vor hochgradig unterbesteuert und hat in der Vergangenheit enormen Schaden angerichtet, Existenzen vernichtet und unsere Sozialsysteme in große Bedrängnis gebracht. An den milliardenschweren Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise beteiligte sich der Finanzsektor bis dato kaum. Zahlen mussten stets die Beschäftigten. Das muss sich endlich ändern – und zwar lieber heute als morgen.

Einstimmigkeit erforderlich

Die Ausgestaltung der Finanztransaktionssteuer liegt fertig auf dem Tisch und ist bereit für eine Einigung. Dabei ist Einstimmigkeit erforderlich. Als gemeinsames Projekt wird sie nur dann erfolgreich sein, wenn alle zehn Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen. Dabei muss die Bemessungsgrundlage der Steuer so breit wie möglich gestaltet sein. Jede Ausnahmeregel für spezifische Finanzinstrumente, Transaktionen oder Marktakteure befördert Umgehungsstrategien. Letztlich wird nur eine effiziente Steuer entsprechende Einnahmen bringen.

Banken, bitte zur Kassa

Die Finanzinstitute müssen endlich zur Kassa gebeten werden und einen substanziellen und fairen Beitrag zur Bewältigung der Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise leisten. Eine Steuer auf Finanztransaktionen ist dafür und zur Eindämmung schädlicher Spekulationen das geeignete Instrument.

Es besteht kein Zweifel daran, dass in einer Zeit verheerender Kürzungen bei den öffentlichen Dienstleistungen und fast leerer Staatskassen die Finanztransaktionssteuer ein wichtiger Schritt ist, um den Spielraum der Mitgliedstaaten für öffentliche Investitionen zugunsten von Wachstum und Beschäftigung zu vergrößern. Dabei sollte die europäische Finanztransaktionssteuer als Etappenziel hin zu einer globalen Steuer gesehen werden, die soziale Gerechtigkeit weltweit fördert.

Alle beteiligten Staaten sind dringend dazu aufgerufen, das Interesse der Bürger Europas über die Partikularinteressen der Finanzindustrie zu stellen. Wir kämpfen weiter für die Einführung einer verantwortungsvollen und ehrgeizigen Steuer.

Europa hat mit dem Projekt der Finanztransaktionssteuer große Führungsstärke bewiesen und kann eine internationale Vorbildfunktion einnehmen. Es wäre absurd, ausgerechnet jetzt aufzugeben, da auch auf der anderen Seite des Atlantiks aus den Reihen der US-Demokraten erneut Rufe nach der Einführung einer solchen Steuer laut werden. Es ist also mehr denn je Zeit, ein Ergebnis zu liefern.

Mag. Evelyn Regner ist Abgeordnete zum Europäischen Parlament und dort auch
Leiterin der SPÖ-Delegation.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2016)

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