Der neue Stil und die starken Gegenkräfte in der Volkspartei

Wollen SPÖ und ÖVP wirklich, dass bald ein FPÖ-Kanzler kommt?

Erklär mir Österreich: „Die Presse“ brachte vor Kurzem ein Interview mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, in dem dieser unter anderem erklärte, er sei Rapid-Fan. Darauf die Vermutung des Journalisten, da habe Doskozil in dieser Saison leiden müssen. Antwort: „Warum? Wir sind vor der Austria gelandet.“

Was lernen wir daraus? Es geht gar nicht mehr darum, welche der beiden ehemals führenden Mannschaften Meister wird. Diesen Anspruch haben beide längst an die Salzburger abgetreten. Es geht nur noch darum, wer vor dem anderen liegt – egal, wie weit abgeschlagen.

Und jetzt wechseln wir das Spielfeld. In der österreichischen Politik hat man den Eindruck, bei SPÖ und ÖVP laufe es genauso. Es geht immer noch darum, wer von beiden einen Hauch vorn liegt – egal, wie weit abgeschlagen beide in den Umfragen gegenüber der FPÖ auch immer sind. Auch bei den Präsidentschaftswahlen im April, für beide ein Debakel, war das spürbar. Die SPÖ hat daraus immerhin eine Konsequenz gezogen und hat den Vorsitzenden ausgewechselt. Der Nachfolger hat einen neuen Stil proklamiert und damit große Hoffnungen geweckt.

Der ÖVP-Chef will dabei mitziehen. Es scheint aber fraglich, ob ihm das gelingen wird, zu stark sind die Gegenkräfte in der eigenen Partei. Führender Exponent der alten Schule – Hauptsache, wir legen die SPÖ hinein! – ist Klubchef Reinhold Lopatka.

Lopatka, der Kasuar

Diesen hat der Chefredakteur der „Presse“ mit einem Kasuar verglichen und für uns ornithologisch weniger Gebildete die Erläuterung hinzugefügt: Der Kasuar sei ein Vogel, allerdings flugunfähig, gilt aber „als einer der aggressivsten Vögel der Welt“. Was an Lopatka beeindruckt: Der Abscheu, der ihm aus Teilen der Bevölkerung entgegenschlägt, scheint ihm egal zu sein.

Lopatka weiß hinter sich einen wichtigen Teil seiner Partei – für ihn der harte Kern der wahren ÖVP. Dort findet er Zuspruch. Da geht es nicht um Land und Leute, da geht es nicht um das Wohlergehen des Staates – es geht um die ÖVP. Und geht es der ÖVP gut, dann wird es dem Land gut gehen. Das heißt im Umkehrschluss: Geht es der ÖVP nicht gut, kann es auch dem Land nicht gut gehen.

Politik ohne Gestaltungswillen

Allerdings ist Lopatka damit nicht allein, er ist nur der Auffälligste. Denn natürlich gibt es auch in der SPÖ Mandatare, die ebenso denken. Aber die halten zurzeit still. Das hängt auch damit zusammen, dass es letztlich nicht besonders attraktiv ist, Politik ausschließlich als Machterhalt für sich selbst und einen Kreis von Funktionären zu begreifen. Politik, die sich darauf beschränkt, die auf jeden Gestaltungswillen verzichtet, ist nicht nur für die Wählerschaft uninteressant.

Daher: Wenn die neue Rechnungshof-Präsidentin, die – ausgenommen die letzten drei Jahre – fast ihr gesamtes Berufsleben in der ÖVP verbracht hat, nicht von allen guten Geistern verlassen ist, dann wird sie alles tun, um jeden Verdacht einer parteiischen Amtsführung zu vermeiden. Sie wird der ÖVP nicht nützen können. Darüber hinaus fragt sich, ob die geglückte Intrige der Partei auch nur eine zusätzliche Stimme gebracht hat.

Es war schon richtig, dass Kern in seiner ersten Erklärung einen anderen Umgang miteinander versprochen hat und dass Mitterlehner zugestimmt hat. Doch sehr schnell sind sie in den Mühen der Ebene gelandet. Zeitungen – nicht nur der Boulevard, dem jetzt weniger Geld ins Maul gestopft wird – mosern schon herum, dass es noch immer keine Wunder gibt.

Scheitern die Regierungsparteien jetzt, kommt ein FPÖ-Kanzler. Wollen SPÖ oder ÖVP das?

Dr. Peter Huemer (*1941 in Linz) war ab 1969 Mitarbeiter des ORF, von 1977 bis 1987 dann Leiter des „Club 2“, danach Moderator der Ö1-Sendung „Im Gespräch“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.