Vom Missbrauch des Systems durch sich selbst

Was sind Agnes Hussleins Verdienste als Direktorin des Belvedere?

Im Gefecht der Wortspenden um die Direktorin des Belvedere, bei dem es um die rüden Umgangsformen der Frau Husslein mit ihren Untergebenen geht, muss vor allem auch einmal infrage gestellt werden, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass sie dort Direktorin wurde – und worin ihre Verdienste denn eigentlich bestanden haben sollen und bestehen.

In Bausch und Bogen wird auf die gewaltige Steigerung der Besucherzahlen hingewiesen, was aber eher damit zu tun hat, dass das Belvedere vor Agnes Husslein wenig publikumsorientiert geführt wurde; bei einigem Sensorium für die Attraktivität der Sammlungen wären hier schon früher größte Erfolge möglich gewesen. Dann kam 2006. Die Kür von Frau Husslein war eine der letzten Entscheidungen der schwarz-blauen Regierung.

Eine rein politische Entscheidung. Denn Frau Husslein hatte – und hat – fachlich überhaupt nichts vorzuweisen, außer einer (schwachen) Dissertation über Opa Boeckl, keinerlei kunstwissenschaftliche Arbeit, keine nennenswerten Publikationen, keine wissenschaftliche Vortragstätigkeit, von universitären Vorlesungen ganz zu schweigen – absolut nichts.

Offenbar war selbst unter diesen krassen Umständen gegen politische Freunderlwirtschaft nicht anzukommen. Ich erlaube mir aber festzuhalten, dass auch Freunderlwirtschaft Korruption ist, weil weit geeignetere Personen mit relevanter kunstwissenschaftlicher und museologischer Kompetenz zum Schaden des Museums – und damit natürlich auch des steuerzahlenden Souveräns – auf der Stecke geblieben sind.

Märchenhafter Aufstieg

Tatsächlich hätte Frau Husslein nach ihrer Bestellung sofort besten Grund gehabt zurückzutreten – und ein verantwortungsbewusster Direktor hätte das wohl auch getan: Ohne einigermaßen ernsthafte Verhandlungen – und ohne Not (wenig später durften wir Freund Haiders Bankenspiele in Milliardenhöhe finanzieren) – hat die Regierung Schüssel II, der Frau Husslein ihren tatsächlich märchenhaften Aufstieg verdankt, Weltrangkunstwerke wie die beiden Klimt-Porträts von Adele Bloch-Bauer ganz einfach ziehen lassen – einfach auf und davon, und Frau Husslein hat nicht einmal mit Hungerstreik gedroht!

Keine Berührungsängste

In der Folge mussten – selbstverständlich, außerdem viel zu spät – noch zahlreiche andere Meisterwerke restituiert werden; was davon aber hat die Direktorin zurückzukaufen versucht? Es wurde dem Fürsten Liechtenstein überlassen, absolute Höhepunkte der österreichischen Kunst des 19. Jahrhunderts, wie Amerlings „Mädchen mit Strohhut“ oder Kupelwiesers „Heilige drei Könige“ zu erwerben – Frau Hussleins Kongress hat währenddessen getanzt.

Was also war ihre Leistung? Zuerst hat sie die herrlichen Räume des Unteren Belvedere und der Orangerie liquidiert, dann wenige gute und viele schlechte Ausstellungen kuratieren lassen. Wobei man leider sagen muss, dass sich deren Anerkennung einem fachlich nur wenig versierten österreichischen Kunstjournalismus verdankt, der die erstaunlichen Fehler und gravierenden Mängel des Husslein'schen Ausstellungswesens nie durchschaut hat.

Wenn überhaupt, könnte Frau Husslein als kaufmännische Direktorin des Belvedere durchgehen. Aber auch da müsste man den gesammelten Klimt-Kitsch in den Museumsshops heftig beanstanden. Derlei Missbrauch sollte man anderen überlassen; Frau Husslein aber hat keine Berührungsängste. Die hingegen sollte die Bundesregierung haben – Frau Husslein gegenüber.


Otmar Rychlik ist freischaffender Kunsthistoriker, Universitätslehrer, Ausstellungskurator, Publizist, Verleger und Sammler. Er arbeitet derzeit an einer Biografie über Gustav Klimt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 06.07.2016)

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