Auge auf Kinderkrankheiten

Die Wiederholung der Präsidenten-Stichwahl im Oktober von der OSZE beobachten zu lassen, wäre keine Schande.

Offenbar haben österreichische Beiträge zu Wahlbeobachtungsmissionen der OSZE bleibende Eindrücke hinterlassen. 1997 war es eine OSZE-Mission unter Vorsitz des zuvor zurückgetretenen Bundeskanzlers Franz Vranitzky, die in Albanien für die Durchführung der Parlamentswahlen im Juni sorgte. Damals steuerte Österreich erhebliche Ressourcen für diese Mission bei. Das Bundesheer entsandte eigene Leute zur sicherheitsmäßigen Betreuung der Operation, die von der Vorbereitung der Wahllisten über logistische Absicherung der Wahlen bis zur Auszählung den ganzen Prozess der Parlamentswahlen begleitete. Und das in einem aufgeheizten politischen Klima in sensiblem Sicherheitsszenario.

Diese und weitere OSZE-Wahlmissionen am Westbalkan waren zum Teil mit umfangreichen Mandaten ausgestattet. Faire, gerechte und akkurate Wahlen stellen ein Kernelement der (Wieder-)Errichtung der Demokratie dar. Die internationale Staatengemeinschaft wollte das mit allen Mitteln unterstützen. Neben umfangreichen Feldmissionen in schwierigem Umfeld hat sich die OSZE zu einem Spezialisten für die Durchführung von Wahlen entwickelt. Auch Österreich hatte in den vergangenen Jahren wiederholt OSZE-Experten bei Wahlen im Lande.

Die Palette der Missionsmandate ist breit. Sie reicht eben von der passiven Beobachterrolle (Monitoring) bis zu direktiveren Mandatsinhalten von Observation und Supervision. Die Mandate werden im Rahmen von Memorandi of Understanding zwischen dem Gastland und der OSZE verhandelt. Inzwischen ist auch die EU ein wichtiger Akteur im Bereich der Wahlbeobachtung und unter diesem Titel weltweit aktiv.

Briefwahl als Schwachstelle

Eine OSZE-Beobachter-Mission bei der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl im Oktober würde sich wahrscheinlich auf die bekannten Schwachstellen, wie die Ablauforganisation, der Briefwahl konzentrieren und im Übrigen mit erprobter Beobachtungsauswertung Evidenzen liefern. Die OSZE hat im Lauf der Zeit selbstredend eine große Expertise aufgebaut, die sie im Rahmen eines Beratungsprozesses auch einbringen kann. Mitgeteilte Schwachstellen sollten den Verantwortlichen Orientierung zur Veränderung sein.

Es ist offenkundig, dass das Instrument der Briefwahl in Österreich etliche Kinderkrankheiten aufweist. Seit der Einführung der Briefwahl im Juli 2007 ist sie im Gerede. Einige besonders arge Missstände wurden zwar abgeschafft, etwa die Möglichkeit, auch nach Wahlschluss noch per SMS Briefwähler zum Abschicken der Wahlzettel zu veranlassen, doch Mängellisten sind noch unbearbeitet.

Spätestens seit den Vorarlberger Gemeinderatswahlen vom März 2015, wo in zwei von fünf Vorarlberger Städten die Bürgermeisterwahlen wegen Ungereimtheiten mit Wahlkarten beeinsprucht und vom Verfassungsgerichtshof in der Folge aufgehoben wurden, liegt schon ein deutlicher Weckruf vor.

OSZE-Wahlbeobachtung kann durchaus als eine Hilfe internationaler Expertise angesehen werden. Bemühungen, mit vereinter Kraft Missstände abzubauen, sind sicher Image-verträglicher, als Wahlen am laufenden Band vom Höchstgericht aufgehoben zu bekommen.

Bernhard Löhri war in zahlreichen Wahlmonitoring-Missionen von OSZE und EU involviert, auch bei der OSZE-Mission in Albanien 1997.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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