Sonderstatus für die Kunst?

Zu den Wortmeldungen rund um eine anstehende Neuberufung von Agnes Husslein zur Direktorin im Belvedere.

„Ehre, wem Ehre gebührt“, lautet der Eingangssatz eines offenen Briefs, den Christian Mayer und Renate Kainer mit der Bitte um Unterstützung für Agnes Husslein in den Rundlauf an bekannte Personen aus der Kunst- und Kulturszene geschickt haben. Nun ist aber die positive Faktenlage im Fall Husslein ohnehin erdrückend, stehen doch ihre Erfolge völlig außer Zweifel.

Sogar Gegner und Feinde müssen das mehr oder weniger zähneknirschend zur Kenntnis nehmen. Ohne Tatsachenverdrehungen, Unwahrheiten und Halbwahrheiten scheint es jedenfalls kaum möglich zu sein, der Direktorin substanziell am Zeug zu flicken (siehe dazu die Polemik von Othmar Rychlik in der „Presse“ vom 6. Juli).

So ist auch den Elogen auf Agnes Husslein im Unterstützerbrief durchaus zuzustimmen. Der Schlusssatz aber lässt den Unterschriftswilligen zögern: „Wir wollen der Politik Mut zusprechen, die Neuberufung von Agnes Husslein gegen den destruktiven Willen aller vorgestrigen und hoffnungsfrohen Besserwisser, Skeptiker und Kunstfeinde durchzusetzen“.

Wer sind denn die mächtigen Besserwisser, Skeptiker und Kunstfeinde, wer ist die finstere Lobby, gegen die sich der zuständige Minister durchzusetzen hat? Sind es Besserwisser, weil sie mehr wissen als wir, die wir aus den Medien nur einige (oder sind es schon alle?), nicht offiziell bestätigte Marginalien aus der Liste angeblicher Verfehlungen der Direktorin kennen?

Besserwisser oder Wissende?

Dann wären sie aber nicht Besserwisser, sondern Wissende. Zu diesen gehören der Minister und dessen Spitzenbeamte, die eigentlich einer Verlängerung grundsätzlich positiv gegenüberstehen sollten. Eine nicht überzeugend argumentierte Nachbesetzung dieser gerade nach den primär quantitativ ausgerichteten Maßstäben der österreichischen Museumspolitik so erfolgreichen Direktorin, dazu kurz vor deren in drei Jahren anstehender Pensionierung, wäre wohl kein guter Start für den neuen Minister.

Wie man hört, werden die Fakten von einer unabhängigen Kommission gründlich geprüft. Auf das Ergebnis sollte gewartet werden. Gerade hat der Verfassungsgerichtshof in einer so unterschiedlichen wie durchaus vergleichbaren Causa entschieden, dass, obwohl keine Wahlmanipulation nachgewiesen werden konnte, eine Wahl wiederholt werden muss, weil gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten wurden.

Die Gleichsetzung von Staatsbürgern, die auf der Einhaltung der Gesetze als Grundlage menschlichen Zusammenlebens bestehen, mit Vorgestrigen und Kunstfeinden, ist jedenfalls abzulehnen.

Ob Vorschriften oder Gesetze – die Spielräume für deren Auslegung sind bekanntlich weit. Sollte sich das Rechtsempfinden des Volkes oder auch nur der Szene eklatant von dem der Kommission unterscheiden, ist es Zeit für Unterstützungserklärungen. Wenn es für „in dubio pro reo“ einen Präzedenzfall gibt, ist es die Neuberufung von Agnes Husslein. Die Forderung aber nach einem rechtsfreien Raum in Kunst und Kultur, zumindest nach einem Sonderstatus, wie sie immer wieder aus Unterstützungserklärungen herauszulesen ist, halte ich für ärgerlich.

Edelbert Köb (* 1942 in Bregenz) ist Kurator und war von 2001 bis 2010 Direktor des Museums Moderner Kunst Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.