Jobsuche aufgeben, nur weil ich bereits über 50 bin?

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"Ich werde kämpfen, das bin ich mir schuldig." Replik auf den Unternehmer Kurt Spet, der keine Mitarbeiter über 50 mehr anstellen will.

Sie sind 50, hoch qualifiziert, international erfahren und Deutscher – das ist leider keine gute Voraussetzung, um in Österreich einen neuen Job zu finden“, erklärte die Beraterin des AMS. Wie viel Wahrheit in dieser prägnant formulierten Demotivation liegt, zeigten die Erfahrungen danach. Wegrationalisiert, musste ich mich nach drei Jahren erfolgreicher Arbeit auf die Suche nach einer neuen Beschäftigung begeben – mit 50 zur kritischen Masse des AMS dazustoßend.

Das AMS wollte helfen. So steht es in allen Unterlagen. Zur Suche gehörte der Zugang zum AMS-Stellensystem und drei Jobangebote in mehr als drei Jahren. Also musste ich meine eigene Bewerbungsmaschine anwerfen. Weitere Sprachenqualifikation durch Italienisch; zusätzlich zu Französisch und Englisch. Überarbeitung des Lebenslaufs, um „State of the Art“, also das Bestmögliche, zu erreichen und für verschiedene Branchen und Jobs verschiedene Versionen zu haben. Dazu auf eigene Kosten die optische Überarbeitung meines Auftritts. Da das AMS weder Miete noch sonstige Kosten übernimmt, durchaus ein finanzieller Kraftakt.

Als Nächstes weitete ich mein mögliches Tätigkeitsspektrum erheblich aus. Führungsjobs, mittleres Management, Einstiegspositionen, Zuarbeiterjobs.

700 erfolglose Bewerbungen

Aber das Ergebnis von rund 700 Bewerbungen war ernüchternd. Neben einer Reihe von Schweigern, einer Vielzahl von Absagen, gab es auch Interviews mit den immer gleichen Reaktionen: zu qualifiziert (kann man das überhaupt sein?); zu teuer oder vielleicht so dringend auf Jobsuche, weil so billig? International erfahren – also nicht geeignet für unser regionales Unternehmen. Das Einzige, was niemand wollte, war, eine Probezeit zu vereinbaren. Sogar eine Bewerbung beim AMS, unterstützt durch meinen Berater, führte nicht zum Erfolg. Und das AMS schwieg sich zu den Gründen auch auf Nachfrage aus. Letztlich ist man ja bei der Jobsuche auf sich selbst gestellt. Also weitergesucht, bereits seit längerer Zeit in allen Jobportalen angemeldet, auch auf Facebook und LinkedIn aktiv gewesen; nebenbei die Möglichkeit eines geringen Zuverdienstes genutzt durch Betreuung einer körperlich Behinderten.

Zur Fortbildung gezwungen

Aber Gesetze müssen befolgt werden, auch wenn sie völlig unsinnige Ergebnisse bringen. Deshalb wurde ich für sechs Wochen in eine Fortbildung gezwungen. Workshops zu Themen, die mit meiner Jobsuche nichts zu tun hatten. Aber eine AMS-nahe Industrie lebt davon. Die Themen hießen: „Gibt es Gott?“ „Kaufsucht“, „Trivial Pursuit“ (ja, tatsächlich das Quizspiel), „Selbstbild & Fremdbild“ u. ä. Um dem Gesetz Genüge zu tun, wurde ich offiziell demotiviert und kam einem neuen Job trotzdem keinen Millimeter näher. Und welche Jobangebote gab es während dieser Zeit seitens des AMS? Kein einziges.

Durch einen glücklichen Zufall konnte ich als Aufsicht im Essl-Museum in Klosterneuburg anheuern. Aber auch dort bestand das Jobinterview aus Hinweisen auf Unterforderung, mögliche Langeweile etc. Nichts davon traf ein. Ich machte das denkbar Beste aus diesem wie jedem anderen Job. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dieses wunderschöne Haus bald für immer seine Pforten schließen würde.

Egal, die Eigeninitiativmaschine ist wieder angelaufen, und ich werde weiter darum kämpfen, einen guten Job zu bekommen. Das bin ich mir schuldig. 50 ist kein Alter, und irgendjemand wird mir eine Chance geben. Wir können, wenn man uns lässt. . .

Götz Lachmann arbeitete als freier Journalist, Pressesprecher und PR-Berater u. a. für American Express. Der Bericht „Ich stelle nie wieder jemanden über 50 an“ erschien in der „Presse am Sonntag“, 24. 7.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)

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