Studiengebühren: Zeit für einen neuen Aufbruch

Dass die Politik das Thema wieder aufgreift, gibt Anlass zur Hoffnung.

Es wird wieder geredet über Studiengebühren. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner schnitt das Thema in einem „Presse“-Interview an und überraschenderweise zeigte sich Bundeskanzler Christian Kern prinzipiell gesprächsbereit. Im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten ist dies bereits ein großer Fortschritt.

Bei etwa drei Mrd., die die Universitäten jährlich kosten – zusätzlicher Bedarf nicht eingerechnet –, können mäßige Studiengebühren sicher nur einen Beitrag zur Gesamtfinanzierung leisten, der bei den öffentlichen Mitteln nicht wieder abgezogen werden darf.

Ein Kompromiss, der auch den Koalitionspartner zufriedenstellen könnte, wäre die Verwendung auch für ein Stipendiensystem, das wirklich Bedürftigen eine kostendeckende, leistungsabhängige Finanzierung ihrer Lebenshaltung während des Studiums ermöglicht. Dies würde auch die immer wieder beschworene Durchlässigkeit für ärmere Schichten fördern und ein bedeutendes intellektuelles und ökonomisches Potenzial in unserer Gesellschaft heben.

Parallel dazu müsste sich aber die Studiensituation selbst ändern. Was nützt ein Stipendium oder bezahlte Studiengebühren, wenn man auf völlig überfüllte Universitäten trifft, die ein sinnvolles Studieren nur begrenzt zulassen. Eine Regulierung des Zugangs zum Studium könnte man bedenkenlos den Universitäten in Konkurrenz überlassen.

Unzufriedene Absolventen

Die Steigerung nur um der Zahl willen führt bei vielen Absolventen, die in anderen Bereichen Hervorragendes leisten könnten, zu Unzufriedenheit. Die gesellschaftliche Wertschätzung nicht akademischer Bereiche ist in unserem Land noch erheblich unterentwickelt. Es müssen in den dreijährigen Leistungsvereinbarungen des Ministeriums mit den Universitäten Anreize geschaffen werden, um qualifizierte Absolventen zu produzieren, die mit einem adäquaten Gehaltsniveau in Wirtschaft und Gesellschaft unterkommen.

Der Philosoph als Manager

Bei budgetärer Steuerung über Absolventen könnten die Universitäten eigenverantwortlich die Studierendenströme durch Motivation und eingeforderte Leistung in die geeignete Richtung lenken und berufliche Sackgassen vermeiden. Doch müssen gewisse Reserven für kleinere Fächer und für neue innovative Entwicklungen vorgesehen sein, die sich noch nicht oder nicht immer direkt in berufliche Zufriedenheit und in erfolgreiche Absolventenstatistiken umsetzen lassen.

Ob die berufliche Tätigkeit dann im herkömmlichen Sinn der Ausbildung entspricht, ist unerheblich, denn schon mancher Philosoph hat sich für Managementaufgaben qualifiziert etc. Für alle Fächer, die zu beruflichem Erfolg und dem Gefühl, dafür berufen zu sein, führen, wäre es unbedingt notwendig, auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Mit zusätzlichen Studiengebühren kann dies nicht ausschließlich finanziert werden. Unabhängig davon, dass die oben erwähnte absolventengesteuerte Strategie der Zugangsregulierung zu Entlastungseffekten führen wird, muss auch in Fächer, bei denen ein Bedarf an Absolventen einer ungenügenden Ausstattung gegenübersteht, erheblich investiert werden. Ich sehe in meinem Fach jährlich 700 Anfänger 160 Laborplätzen gegenüberstehen, obwohl dringend mehr Absolventen gesucht werden.

Solche Investitionen lassen sich dann unter neuen Rahmenbedingungen auch in Konkurrenz zu anderen Budgetposten im Haushaltsplan besser argumentieren, zumal es ja auch von höchster Stelle „intellektuell begriffen“ wurde.

O. Univ.-Prof. Dr. Dr. Bernhard Keppler ist Dekan der Fakultät für Chemie der Universität Wien und Präsident des Österreichischen UniversitätsprofessorInnenverbands (UPV)


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2016)

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