US-Wahl: Wenn die Demokratie verliert

Die Großparteien haben es geschafft, anderen Kandidaten den Brotkorb sehr hoch zu hängen.

Wenn die Zeit kommt, in der Wahlzelle eine Entscheidung zu treffen, dann werde ich mir einfach die Kugel geben“, kommentierte der Kolumnist Dave Barry die US-Präsidentschaftswahlen. Damit gibt er die Einstellung vieler Amerikaner wieder: Sie lehnen sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton mehrheitlich ab, wobei Clinton mit ca. 55 Prozent Ablehnung noch besser als ihr Konkurrent mit über 60 Prozent fährt.

Die Antipathien gegenüber Trump sind leicht zu erklären: Dort, wo er ausnahmsweise eine klare Linie verfolgt, nämlich bei seiner Haltung gegenüber mexikanischen Einwanderern, Minderheiten und Frauen sowie seinem Vorhaben, Amerika wirtschaftlich abzuschotten, ist sie schrecklich. Sonst erweckt er den Eindruck eines Mannes, der seine Ignoranz – auf allen Gebieten gleich universell – mit verbaler Brutalität kompensieren will. Hillary Clinton hingegen ist berechenbarer. Sie will mehr Staat, mehr Kontrolle, mehr Steuern, mehr Staatsverschuldung, mehr Regulierungen und mehr außenpolitische (militärische) Interventionen. Sie ist als arrogante, selbstgerechte Vertreterin des Politestablishments verschrien.

In dieser Situation sehen sich die Wähler anderweitig um. Die Grüne Jill Stein liegt derzeit in den Umfragen bei bis zu sieben Prozent, und Gary Johnson von der Libertarian Party (LP) rangiert zwischen sieben und 13 Prozent. Das ist immerhin das Zehnfache dessen, was die beiden Kandidaten bei ihrem letzten Antreten 2012 erreichen konnten.

Bemerkenswert an Johnsons Programm ist, dass er die aggressive Linie in der amerikanischen Außenpolitik beenden und das Militärbudget drastisch (um ca. 40 Prozent) kürzen will. So plant er, das Budget auszugleichen und seine Steuerreformpläne zu finanzieren. Gleichzeitig tritt er für die Legalisierung von Marihuana und für Homosexuellenrechte ein. Mit seinen Positionen befindet sich Johnson außerhalb des Mainstreams, ist aber, anders als die Libertarian Party, nicht wirklich radikal.

Aber die beiden Großparteien haben es geschafft, Dritten den Brotkorb deutlich höher zu hängen: Wer bei den Präsidentschaftswahlen eine Rolle spielen will, braucht die Aufmerksamkeit der Medien; und diese konzentriert sich auf die Teilnehmer an den Präsidentschaftsdebatten der CPD (Commission on Presidential Debates), denn an anderen nehmen die Kandidaten der Großparteien üblicherweise nicht teil. Die CPD, in trauter Zweisamkeit von Demokraten und Republikanern geleitet, hat harte Regeln für die Zulassung zu den Debatten festgelegt: Wer teilnehmen will, muss in genügend Bundesstaaten kandidieren, damit rein mathematisch ein Wahlsieg möglich ist und in fünf nationalen Meinungsumfragen mindestens 15 % erreichen.

Riesiges Budget

Während die LP wahrscheinlich Johnsons Antreten in allen 50 Bundesstaaten ermöglichen wird – eine bemerkenswerte organisatorische Leistung für eine Partei anarchistischer Individualisten –, wird er die 15-Prozent-Schwelle vor Beginn der Debatten kaum überschreiten können. Dafür bedarf es laut unabhängiger Schätzungen eines Budgets von mindestens 250 Millionen Dollar oder der Unterstützung eines Parteiapparats, wie ihn nur die beiden Großparteien besitzen.

Die zuständige Aufsichtsbehörde Federal Election Commission (FEC) konnte in diesen Regeln weder eine unzulässige Bevorzugung der Großparteien noch eine verdeckte Parteienfinanzierung über die (steuerbefreite) CPD erkennen, was vielleicht unmittelbar damit zusammenhängt, dass in der FEC Demokraten und Republikaner paritätisch vertreten sind. Wenn also kein Wunder geschieht, werden die Debatten lediglich aus einem Duell Clinton–Trump bestehen. Verlieren wird dabei die Demokratie.

Der Autor ist FH-Vortragender und arbeitet in der Wirtschaftstreuhandbranche.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

(Print-Ausgabe, 19.08.2016)

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