Energiewende: Keine Atempause!

Drohender Rückfall in dunkle Zeiten mit Protektionismus, Stillstand und Konservierung veralteter Strukturen.

Im Beitrag „Wer Ökostrom sagt, muss auch Stromautobahn sagen“ in der „Presse“ vom 22. August wird als zentrale These Folgendes in den Raum gestellt: Die Energiewende verdient eine Atempause, um das Netz aufzurüsten, bevor es weiteren Wind- und Sonnenstrom verdauen kann. Das stimmt so nicht! Eine Atempause der Energiewende wäre nur zum Nutzen der verkrusteten europäischen Stromstrukturen mit ihren Überkapazitäten an Kohle- und Atomkraftwerken und jedenfalls zum Nachteil der österreichischen Energiewirtschaft.

In ganz Europa liegt der Anteil an erneuerbaren Energien auf dem Stromsektor bei einem Viertel - also weit weg von einer dominierenden Rolle. In Deutschland liegt der Anteil bei knapp 33 Prozent, auf einem Pfad wie er bereits vor Langem festgelegt wurde. Insofern also konsequent und geplant. Auch wurde das Bild vermittelt, es sei das Hauptproblem, den Sonnenstrom aus Spanien nach Mitteleuropa oder den Windstrom im Norden zu Verbrauchern im Süden zu bringen.

Der wahre Grund, warum die Netze ein Problem haben, ist, dass im Zuge der Strommarktliberalisierung und der Gestaltung eines gemeinsamen europäischen Strommarkts die einzelnen Marktregionen gekoppelt werden und man keine Rücksicht auf Stromnetz und physikalische Grenzen nimmt. Dass dies bisher „nur“ bezüglich der deutschen Energiewende diskutiert wird, liegt eher an den Kommunikationsressourcen der strauchelnden Energiegiganten, nicht an der Realität. Woher kommt also das „Zuviel“, von dem man immer liest?

Engpässe ignorierend wird Strom gehandelt, und Kraftwerke pumpen mehr Strom in die Leitungen als benötigt. Auch bei stark negativen Strompreisen und Überlastung speisen Kohle- und Atomkraftwerke in Deutschland weiter in großem Stil Strom in die Netze. Belegt ist das durch eine umfangreiche Sammlung an Studien von Consentec, Frauenhofer, Agora Energiewende oder dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Sie zeigen, dass diese Kraftwerke unabhängig von Problemen ihre Erzeugung nicht reduzieren (AKW nicht unter 65%, Kohle nicht unter 45% ihrer Leistung). Selbst an den besten Tagen erreichen die Erneuerbaren in Deutschland nur maximal 80% des Verbrauchs. Der Überschuss kommt also aus fossilen und nuklearen Kraftwerken, die keine Kosten der Umweltverschmutzung tragen müssen und die die erneuerbare Erzeugung, teilweise ignorierend, einfach einspeisen.

Im Gegensatz dazu bleiben Akteure wie etwa die APG und andere Unternehmen rationale Erklärungen schuldig, mit denen sie ihre polemischen Anwürfe gegen erneuerbare Energien belegen können. Das Fazit des Artikels ist wohl korrekt – der Netzumbau ist notwendig! Die Analyse und Folgerung jedoch nicht. Es sind nicht die Erneuerbaren, deren Ausbau gebremst werden muss.

Was ist wirklich notwendig ?

So wird lediglich verdeckt, was wirklich notwendig ist: Der Aus-, Ab- und Umbau muss noch forcierter vorangetrieben, der Reformstau beseitigt werden. Während erneuerbare Energien ausgebaut werden, muss man konsequent die – ohnehin durch staatliche Förderung errichteten – Kohle- und Atomkraftwerke an den erneuerbaren Markt anpassen und letztlich abschalten.

Funktionieren kann das nur durch eine ambitionierte Energiepolitik, vor allem in Österreich, das in den vergangenen Jahren eher durch Abwesenheit auf diesem Parkett geglänzt hat. Die geforderte Atempause bei der Energiewende wäre ein Rückfall in dunkle Zeiten mit Protektionismus, Stillstand und Konservierung veralteter, wenig zukunftsträchtiger Strukturen. Die Energiewende ist der größte Treiber für brauchbare Lösungen für die Zukunft, auch bei der Netzinfrastruktur.

Stefan Moidl ist Geschäftsführer der IG Windkraft, Florian Maringer ist für die Technik zuständig. Die IG ist die österreichische Interessenvertretung für Windkraft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.08.2016)

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