Betriebe müssen planen können, Herr Bundeskanzler

Eine befristete Investitionsbegünstigung hilft Unternehmen nicht wirklich.

Kanzler Kern will Turbo für Investitionen zünden“, hieß es vor etlichen Wochen in den Medien. Konkret hat der Bundeskanzler eine Initiative angekündigt, Investitionen durch steuerliche Abschreibungen zu begünstigen; damit sollen „in intelligenter Form“ Spielräume geschaffen werden, um in die Wirtschaft zu investieren und Jobs zu schaffen.

Schon im nächsten Satz kam allerdings die Einschränkung: „. . . befristet bis Ende 2017“. Man reibt sich die Augen, eine „intelligente Form“, in die Wirtschaft zu investieren, das aber befristet? Ab 2018 ist es also mit der „intelligenten Förderung“ der Wirtschaft schon wieder vorbei?

Dabei hat der Bundeskanzler in der Sache recht: Was vor vielen Jahren zum wirtschaftlichen Aufschwung maßgeblich beigetragen hat, gibt es schon lang nicht mehr: Investitionsbegünstigungen wie die vorzeitige Abschreibung von Anlagevermögen sind längst abgeschafft, während in anderen Ländern, etwa in den USA, rasche Abschreibungen seit jeher Standard sind: aus gutem Grund, weil sie die ständige Modernisierung der Produktionsmittel sichern.

In Deutschland können Klein- und Mittelbetriebe sogar für künftige Aufwendungen bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungskosten geltend machen, und nach der Anschaffung noch einmal 20 Prozent. Solche Maßnahmen verbessern, wie es zur Begründung heißt, „die Wettbewerbssituation von Klein- und Mittelbetrieben, sie erhöhen die Liquidität, sie erleichtern die Eigenkapitalbildung und sie stärken auf diese Weise die Investitions- und Innovationskraft“.

Erheblich höhere Wirkung

Für Österreich ein Vorbild in zweierlei Hinsicht: Erstens wären Abschreibungsbegünstigungen für Klein- und Mittelbetriebe ein Steuerausgleich für die Vorteile der Kapitalgesellschaft; zweitens haben erhöhte Abschreibungen in der Einkommensteuer im Hinblick auf einen Spitzensteuersatz bis zu 50 Prozent eine erheblich höhere Wirkung als in der Körperschaftsteuer.

Konzentration auf die KMU

Dagegen wäre eine vorzeitige Abschreibung auch für Kapitalgesellschaften eine vergebliche Initiative: Bei einem Steuersatz von nur 25 oder gar 20 Prozent, wie gerade diskutiert, müsste eine vorzeitige Abschreibung in der Körperschaftsteuer wesentlich höher sein als in der Einkommensteuer, um eine gleiche Wirkung zu erzielen. Denn bei einer niedrigen vorzeitigen Abschreibung gibt es keinen Investitionsanreiz, der bloße Mitnahmeeffekt wäre viel zu hoch.

Umgekehrt würde eine Konzentration auf Klein- und Mittelbetriebe in der Einkommensteuer eine wesentlich höhere vorzeitige Abschreibung ermöglichen, mit den entsprechenden investitionsfördernden Effekten. Eine Konzentration auf Klein- und Mittelbetriebe hätte mehrere Vorteile: Sie wäre nicht nur effizienter, die Steuerausfälle für den Fiskus wären überschaubar, sie wäre für den Fiskus auf Dauer finanzierbar, und es gäbe Möglichkeiten der Gegenfinanzierung. Also eine „intelligente Förderung“ nicht nur bis Ende 2017, sondern auf Dauer.

Dagegen würde die in den letzten Tagen andiskutierte befristete Investitionszuwachsprämie jene Unternehmen begünstigen, die bisher wenig investiert haben. Sie verleitet den Unternehmer zu unnötigen Investitionen, ist missbrauchsanfällig und von der Finanzverwaltung schwer zu kontrollieren. Erfahrungen aus der Vergangenheit gibt es.

Unternehmen müssen planen können. Eine befristete Investitionsbegünstigung entspricht diesem Anliegen nicht.

Em. Univ.-Prof. Werner Doralt (*1942 in Wien) war von 1980 bis 1998 Professor für Finanzrecht an der Uni Innsbruck und von 1998 bis 2010 Vorstand des Instituts für Finanzrecht an der Uni Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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