Bühne frei gemacht für Rot-Blau!?

Das Burgenland als Experimentierfeld für die Zusammenarbeit von Sozialdemokraten und Freiheitlichen.

Man schrieb 2015, als im Burgenland die SPÖ gemeinsam mit der FPÖ eine neue Landesregierung bildete. Ich war dabei, als im Juni in Eisenstadt dagegen demonstriert wurde. Obwohl selbst kein Linker, empfand ich Respekt und Sympathie für diese Österreicherinnen und Österreicher, die aus ihrer linken Haltung heraus auf eine ideologische Unvereinbarkeit dieser Regierungskonstellation hinwiesen.

Bemerkenswert war allerdings die zahlenmäßig äußerst bescheidene Teilnehmerzahl an diesem Protest, wenn das auch nicht überraschend kam: So gut wie die ganze burgenländische SPÖ hatte sich hinter diese Entscheidung gestellt. Ein paar Parteiaustritte wie jener der Witwe des 2003 verstorbenen Landeshauptmanns und Parteivorsitzenden Karl Stix waren da direkt auffällig.

Sogar die burgenländischen Jusos hielten sich zurück, ihr einstiger Vorsitzender gilt heute als überzeugter Rot-Blau-Vertreter. Wer die Geschichte der Beziehungen zwischen der SPÖ und FPÖ aber kannte, brauchte sich nicht zu wundern und sich nur an die Stichworte Kreisky 1970/71, Kabinett Sinowatz 1983 bis 1986 und den Umgang Bruno Kreiskys mit Friedrich Peter im Zusammenhang mit Simon Wiesenthal erinnern.

Dass FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer beim letzten Wahlgang im Burgenland ein Traumergebnis erzielt hat – und das vor allem in Gemeinden mit großer SPÖ-Mehrheit –, kann man nur noch als logisch werten. Blau ist das neue Rot – an diesem Spruch ist offensichtlich etwas dran, jedenfalls im Burgenland.

Anstrengender Partner ÖVP

Im Herbst 2016 scheint man nun auch auf Bundesebene langsam bereit zu sein, die Bühne für Rot-Blau freizumachen, um endlich die als Partner als zu anstrengend empfundene ÖVP loswerden zu können. Mit blauen Politikern, die aus Machtkalkül und Gier auf gut besoldete Regierungsposten schielen – ja, auch in der „Partei der Fleißigen und Anständigen“ gibt es dieses Begehren – und die zu allem Ja und Amen sagen, was die SPÖ-Politiker vorgeben, lässt sich nun einmal leichter regieren als mit politisch erfahrenen Partnern auf derselben Augenhöhe.

Welche Rolle spielt Ideologie?

So läuft Landespolitik gegenwärtig im Burgenland, so kann möglicherweise bald auch die Bundespolitik funktionieren. Ein paar nette Strache- und Hofer-Äußerungen, dass man im Grunde eh nichts gegen Asylanten und gegen die EU habe, sondern nur ein bisserl kritisch sei, und ein paar flotte Argumente im demnächst fertigen Kriterienkatalog der Bundes-SPÖ könnten bald schon die ganze Vranitzky-Tradition seit 1986 vergessen machen.

Bereits bei der Regierungsbildung 1999/2000 durfte man hinterfragen, warum die Sozialdemokratie aus ideologischen Gründen mit den Freiheitlichen keine Koalition eingehen wollte. Aber ob Ideologie sowohl in Bezug auf die eigene Identität als auch im Hinblick auf eine Koalition überhaupt noch eine Rolle spielt – das wird man die SPÖ schon noch fragen dürfen.

Bei der ÖVP erübrigt sich diese Frage, weil es bei ihr seit jeher kein selbstauferlegtes Ausgrenzungsverbot einer anderen Partei gibt (was Schwarz-Blau leichter ermöglicht).

Bei der Bundes-SPÖ wird – will man der Ideologie noch vor dem Machterhalt um jeden Preis doch noch eine Bedeutung beimessen – langfristig eine Parteienspaltung nicht unwahrscheinlich. Dies vor allem dann, wenn es dem linken Flügel einmal definitiv zu viel werden sollte. Eine Neubesinnung auf eine konstruktive Koalitionspolitik, wie sie im Burgenland verloren gegangen ist und wie sie auf Bundesebene aufs Spiel gesetzt wird, braucht die SPÖ mehr denn je – oder andernfalls den Abgang in die Opposition. Und sei es nur, um dort das eigene Ideologie- wie Regierungsfähigkeitsverständnis einmal in Ruhe zu überdenken.

Robert Ganser studierte katholische Theologie, arbeitet in der Diözese Eisenstadt in einigen seelsorglichen Bereichen und ist ÖVP-Mitglied.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2016)

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