In der linken Geiselhaft

Darf die SPÖ auch zusammen mit der FPÖ regieren? In der Koalitionsfrage wedelt der Schwanz offenkundig mit dem Hund.

Kaum wurde bekannt, dass sich die Mitglieder der SPÖ-Arbeitsgruppe in Kärnten treffen werden, um einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, hat der Empörungsgrad im linksintellektuellen Feuilleton wie auch beim linken Flügel der SPÖ einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Fokus der Empörung stand und steht die Frage, ob die SPÖ auch mit der FPÖ eine Koalition eingehen darf.

Die Debatte wird zu einer Glaubensfrage der politischen Korrektheit hochstilisiert, und sie nimmt mitunter fanatisch-religiöse Züge an, die durchaus Angst machen. Ebenso beängstigend ist in diesem Kontext der oft hergestellte Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, der nicht nur völlig irrational ist, sondern auch die NS-Gräuel verharmlost und Nazi-Opfer massiv beleidigt.

Mit der politischen Realität hat das alles nichts mehr zu tun, denn innerhalb der SPÖ wedelt in dieser Frage schon seit geraumer Zeit der Schwanz mit dem Hund. Nur das will in einer gewissen Funktionärsschicht schlichtweg niemand wahrhaben. Für viele Mitglieder in der SPÖ ist eine Koalition mit der FPÖ das Letzte und ebenso unattraktiv wie die Zusammenarbeit mit der ÖVP, aber mit dem Zusatz: „Das Letzte muss möglich sein.“

Das aber wird von der „linken Elite“ mit viel Moral und noch mehr Empörung verhindert und verunmöglicht so einen ganz normalen demokratiepolitischen Diskurs. Diese „linke Elite“ nimmt die SPÖ „als Bollwerk“ gegen rechts in Geiselhaft. Allerdings hat sie den Anschluss an die Sorgen und Ängste des Proletariats, der Marginalisierten, schon längst verloren.

Die FPÖ-Ausgrenzungsdoktrin

Die SPÖ hat aufgrund der FPÖ-Ausgrenzungsdoktrin einen Großteil ihrer sozialdemokratischen Werte und Inhalte auf dem Koalitionsaltar der ÖVP opfern müssen und hat treue Wähler im Stich gelassen. Österreich ist ein geteiltes Land geworden, wobei die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht – und das unter sozialdemokratischen Kanzlerschaften.

Statt sich in den Dienst jener Menschen zu stellen, die von der Reichtumsentwicklung in Österreich ausgeschlossen sind und die trotz Beschäftigung an der Armutsgrenze leben müssen, ist das Linkssein zum hippen Mainstream und zum Selbstzweck geworden. Man trägt seinen antifaschistischen Habitus wie ein Statussymbol vor sich her, indem man gegen die FPÖ ist oder gleich einmal alle zwei Millionen Hofer-Wähler als Nazis oder Idioten bezeichnet. Gleichzeitig hat man aber kein Problem mit dem ideologischen Islam und seine Ausformungen in Österreich.

Die Sozialdemokratie muss sich aus dieser unseligen Geiselhaft befreien, wenn sie wieder ernst genommen werden will. Der Kriterienkatalog könnte ein Vehikel dafür sein, endlich inhaltliche Standards zu definieren, die für jegliche Koalitionen verbindlich sein müssten oder einen klaren Auftrag für die Opposition bilden.

Nur so können die Sozialdemokraten ihre Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung und vor allem bei den „kleinen Leuten“ wieder herstellen. Mit welcher politischen Partei das umgesetzt werden kann, ist völlig nachrangig. Die ÖVP jedenfalls ist es mit Sicherheit nicht.

Roland Fürst ist Politikwissenschaftler und stellvertretender SPÖ-Parteiobmann in Bad Sauerbrunn im Burgenland.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2016)

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