Marrakesch - oder der Kampf gegen Windmühlen

Eine neue CO2-Steuer und Erhöhung der Elektromobilität sind Scheinziele.

Laut Medienberichten tourt Umweltminister Andrä Rupprechter mit der Idee durch Europa, den deutschen Kohlestrom (circa 42 Prozent des deutschen Stroms kommt aus Kohlekraftwerken) durch Einführung einer neuen CO2-Steuer zu reduzieren. Im Prinzip eine begrüßenswerte Idee, denn diese Kraftwerke stoßen nicht nur CO2, sondern auch noch andere Schadstoffe aus.

Grund für den hohen Anteil an deutschem Kohlenstrom ist das teilweise Abschalten der Kernkraftwerke und die exorbitante Förderung der „Neuen Erneuerbaren“ Wind, Sonne, Biomasse in Deutschland, die dazu geführt hat, dass die Gashähne der weniger luftverdreckenden Gaskraftwerke kleingedreht wurden, weil der Strom dieser Kraftwerke gegenüber dem geförderten Strom der Neuen Erneuerbaren unwirtschaftlich wurde. Dadurch ist der Bedarf an Kohlestrom seit der Merkel'schen Energiewende gleich geblieben, ja zwischendurch sogar noch angestiegen.

Um irgendwie zu steuern, wurden die CO2-Zertifikate erfunden, die die Ausstoßer von Treibhausgasen (CO2 etc.) durch den Zwang zum Kauf solcher Zertifikate gewissermaßen zu Strafzahlungen verurteilen. Die Sache klappt nur nicht so recht. Wozu jetzt noch die weitere Bürokratie einer Steuer? Sie wird so wenig eingehalten werden wie andere europäische Vereinbarungen. Und wie die hehren Klimaziele, auf die sich die zuständigen Minister 2014 „geeinigt“ haben: 40% weniger Treibhausgase bis 2030, zu lahm nach Rupprechter.

„Angepasste“ Ziele

Jetzt vor der Weltklimakonferenz in Marrakesch hat die deutsche Bundesregierung die Industrie beschwichtigt. Sie hat die Ziele „angepasst“: statt 40 nur noch 20 Prozent, sonst ruiniert man die Wirtschaft, wie Vizekanzler Sigmar Gabriel sinngemäß gesagt hat. Und Braunkohle werde bis über 2040 hinaus genutzt, sagte er auch.

Man liest in diesem Zusammenhang auch immer wieder von der vom Umweltministerium propagierten und geförderten E-Mobilität: Rupprechter hat dieses Anliegen von seinem Vorgänger, Nikolaus Berlakovich, geerbt, der wiederholt erklärt hat, bis 2020 wolle er 250.000 E-Fahrzeuge auf Österreichs Straßen bringen. Der zusätzliche Strom für 250.000 E-Autos in Österreich wäre allerdings nur mit noch mehr Import von Kohle- und Atomstrom möglich (vergangenes Jahr mehr als 16 Prozent).

Verschiebung der Verdreckung

Zuerst muss also eine saubere Stromquelle, die kontinuierlich Strom liefert, gefunden oder eben akzeptiert werden, wie in Frankreich die Kernkraft, in Norwegen die Wasserkraft, die aber in Österreich kaum mehr ausbaubar ist. Oder die Entwicklung von Stromspeichern muss einen großen Sprung nach vorn machen, damit der unregelmäßig erzeugte Strom aus Wind und Sonne gespeichert werden kann, bis er von den Verbrauchern benötigt wird.Sonst verschiebt man nur die Verdreckung nach Tschechien, um einen Nachbarstaat zu nennen, dessen Unterstützung mit seinen Braunkohle- und Kernkraftwerken wir dazu noch stärker brauchen würden.

Was wäre mit Sparen? Man sollte den Kampf gegen Windmühlen aufgeben und den Aufwand für das aussichtslose Vorhaben, Deutschland vom Kohlestrom abzubringen, lieber dazu verwenden herauszufinden, wie Sparen, besonders die Einschränkung des Kfz-Verkehrs, auch jene von E-Autos, ohne Schädigung der Wirtschaft mittelfristig möglich ist.

Das wäre ein echtes Ziel, nicht ein Scheinziel wie CO2-Steuer und Erhöhung der Elektromobilität.

Gero Vogl ist seit 2009 emeritierter ordentlicher Professor für Physik an der Universität Wien. Er war vor 1985 Professor an der Freien Universität Berlin und von 1999 bis 2002 Direktor am heutigen Berliner Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2016)

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