Erzogen zum Angestellten?

Unternehmerische Kompetenz hat im Lehrstoff an den Schulen nicht die Bedeutung, die ihr eigentlich zukommen müsste.

Die Presse“ hat vor Kurzem über eine Untersuchung der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung berichtet, wonach in 57 Schulbüchern der Unterstufe aus Geografie und Wirtschaftskunde regelmäßig einseitige, falsche und tendenziöse Darstellungen zu finden sind. Unternehmertum als Thema fehlt in den Büchern völlig. Aber warum? Die Erklärung dafür könnte in einem fundamentalen Begriffsunverständnis liegen.

So gibt es zwar in allen Schulbüchern ein Kapitel über Berufswahl. Was aber auffällt, ist, dass in allen Schulbüchern die Wichtigkeit von Schlüsselkompetenzen thematisiert wird, die „unternehmerische Kompetenz“ aber – mit einer Ausnahme – praktisch flächendeckend ausgeblendet wird.

Dabei hält bereits eine Empfehlung des Europäischen Parlamentes sowie des Rates aus dem Jahr 2006 (2006/962/EG) zum Thema lebensbegleitendes Lernen fest, dass unter Schlüsselkompetenzen all jene Kompetenzen zu verstehen sind, „die alle Menschen für ihre persönliche Entfaltung, soziale Integration, Bürgersinn und Beschäftigung benötigen“ und nennt als eine dieser Kompetenzen eben expressis verbis auch die unternehmerische Kompetenz.

Unternehmerische Kompetenz wird wie auch sieben weitere Kompetenzen „als gleich bedeutend betrachtet, da jede von ihnen zu einem erfolgreichen Leben“ beitragen kann. Demnach hilft unternehmerische Kompetenz im täglichen Leben und ist Grundlage für jene Fähigkeiten, die diejenigen benötigen, „die eine gesellschaftliche Tätigkeit begründen wollen“. Natürlich hilft sie auch am Arbeitsplatz.

Eine Sache, die uns alle angeht

Also geht unternehmerische Kompetenz uns alle an: von Unternehmerinnen angefangen über Angestellte bis hin zum Konsumenten: Angestellte, wenn sie sich nicht nur als Nachfrager nach einem Arbeitsplatz begreifen sollen, sondern auch als Anbieter ihrer Arbeitskraft, und als solche etwa Investitionsentscheidungen in das eigene Humankapital treffen oder über die Positionierung ihres Angebots, der eigenen Arbeitskraft am Arbeitsmarkt, nachdenken müssen.

Konsumenten, wenn sie sich nicht nur als „Opfer profitgieriger Anbieter“, sondern als die zweite Seite ein und desselben Marktes begreifen sollen, die mit ihren Entscheidungen Einfluss auf die ganz großen Marktbewegungen nehmen, weshalb die Konsumenten ebenso Verantwortung im Zusammenhang mit Klimawandel, Müllbergen, Produktion in Niedriglohnländern et cetera tragen.

Umso mehr muss erstaunen, dass diese Kompetenz, aber auch das Thema Unternehmertum, in den Schulbüchern faktisch keine Rolle spielt. Auch vor dem Hintergrund der erwähnten Empfehlung, unternehmerische Kompetenz in Zusammenhang mit der Fähigkeit zu bringen, die größeren Zusammenhänge zu erkennen.

Unternehmerische Kompetenz bezieht sich also nicht so sehr darauf, worüber, sondern wie nachgedacht wird. Deshalb wäre dieses Thema auch leicht in die Schulbücher integrierbar, weil es mehr um die Verschiebung der Perspektive als um ein zusätzliches Kapitel „Unternehmertum“ geht. Eine Perspektive im Übrigen, die dem „Gründerland Österreich“ sicher nicht schaden würde.

Dr. Stefan D. Haigner studierte Volkswirtschaftslehre an der Uni Innsbruck und ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2016)

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