Wie man Marke Österreich aus dem Dämmerschlaf holt

Beim Nation Branding braucht es einige ausgesuchte Leuchttürme, um die Nation in Summe perfekt präsentieren zu können.

Das Thema „Marke“ hat in den vergangenen Jahren so gut wie jeden Bereich unseres Lebens erobert. So werden nicht nur mehr klassische Markenartikel wie Coca-Cola, Milka-Schokolade oder Manner-Schnitten als Marken gesehen, sondern auch Politiker wie Hillary Clinton, Donald Trump, Christian Kern und Sebastian Kurz, Stars wie David Alaba und Conchita Wurst oder auch Events wie die Olympischen Spiele und das Neujahrskonzert. Selbst ganze Nationen werden mittlerweile als Marke vermarktet.

Dafür hat sich sogar der Begriff „Nation Branding“ etabliert. Der Sinn dahinter: Man möchte sich als Nation weltweit ein klares Profil verpassen, das sich letztendlich positiv auf das Image sowie auf Wirtschaft und Tourismus niederschlägt. „Made in Germany“ ist weltweit ein Begriff für deutsche Qualitätsarbeit und mit ein wesentlicher Grund für die Exportstärke unseres Nachbarlandes. Aber nur wenigen Nationen ist es bisher gelungen, international eine so starke Marke aufzubauen.

So stand auch in der „Presse“ in einem vor Kurzem erschienenen Beitrag unter dem Titel „Die Marke Österreich schläft“ über das Thema „Nation Branding“: „Experten sehen das Thema kritisch – sogar Simon Anholt, der den Begriff 1998 geprägt hat, sagt, er kenne kein Land, dem es gelungen sei, seinen internationalen Ruf durch Marketingkommunikation zu verbessern. Weil es darum gehe, was Städte und Länder tun, und nicht darum, was sie sagen.“

Das Problem der Vielfalt

So gesehen wäre jedes Nation-Branding-Konzept, gerade auch jenes der österreichischen Bundesregierung aus dem Jahr 2011 – allein für die Konzeption gab man damals fast 600.000 Euro aus – sinnlos. Aber das Problem liegt tiefer.

Das Hauptproblem beim Vermarkten einer Nation oder eines Landes ist, dass eine Nation in Summe extrem vielfältig ist, also aus extrem vielen verschiedenen Facetten besteht. Dazu kommt noch, dass verschiedene Interessengruppen in einer Nation verschiedene Zielsetzungen haben.

Die einen möchten Österreich als Wirtschaftsstandort stärken, die anderen wiederum als Tourismusregion. So ist etwa das bereits erwähnte „Made in Germany“ eine perfekte Vermarktungsklammer für die deutsche Wirtschaft, vor allem für deutsche Produkte, die global vermarket werden. Für den Tourismus aber kann dieser Markenname sogar leicht negativ behaftet sein – denn wer möchte schon in einem Industrieland Urlaub machen? Da ziehen doch eher unberührte Berge oder historische Sehenswürdigkeiten Besucher an.

Also versucht man, eine gemeinsame Klammer zu finden, die hoffentlich alle Bereiche abdeckt. Für Österreich lautet diese Klammer aktuell „Brückenbauer“. Doch diese Idee spiegelt wahrscheinlich mehr unsere Vergangenheit als unsere Zukunft wider. Zudem hat diese Idee weder die Kraft, Österreich als Tourismusland noch als Wirtschaftsstandort wirklich zu stärken. So gesehen ist äußerst unwahrscheinlich, dass Österreich einmal global als „der Brückenbauer“ gesehen wird.

Nur wenn eine Nation oder auch ein Unternehmen in der Öffentlichkeit unklar wahrgenommen wird, ist es sinnvoller, ein herausstechendes Kernprodukt zu finden oder zu entwickeln als nach der einen großen Markenklammer zu suchen, die alles abdeckt und alle und jeden anspricht.

Perfekt machte dies etwa Steve Jobs mit der Einführung des iPod vor 15 Jahren. So hat der iPod mehr für Apple getan als alle Marketingaktivitäten vor oder nach der Einführung des iPod. Er legte die Markenbasis dafür, dass aus einem Nischencomputerunternehmen die wertvollste Marke der Welt wurde. Damit stieg der Markenwert von Apple laut Interbrand von 5,46 Milliarden US-Dollar im Jahr 2001 auf 178,12 Milliarden im Jahr 2016.

Ein „iPod“ für Österreich

Damit stellt sich aber auch die Frage, was könnte so ein „iPod“ für Österreich sein? Dazu bieten sich drei Möglichkeiten an:


• Erstens: Im Tourismus könnte Wien ein „iPod“ für Österreich sein, um etwa mit einer Positionierung wie „Die Kulturhauptstadt der Welt“ noch mehr Touristen aus aller Welt nach Österreich zu locken.

Wenn diese dann in Wien sind, könnte man ihnen den Rest von Österreich näherbringen. Österreich ist so klein, dass dies für Amerikaner und Asiaten jeweils maximal nette Tagesausflüge wären. Natürlich müsste man dann dazu perfekt abgestimmte Tourismusprogramme entwickeln, um sicherzustellen, dass die Touristen von Wien aus ganz Österreich entdecken. Vor allem aber müsste man einen Großteil des Budgets der Österreich-Werbung international für Wien einsetzen.


• Zweitens: Ein weiterer „iPod“ im Tourismus könnten die Alpen sein. Dazu müsste man diese über den Wintertourismus hinaus positionieren. Eine mögliche Idee dazu wäre, die Alpen als „den größten Erlebnispark dieser Erde“ darzustellen.

Alpen als Erlebnispark

So sind die Alpen im Gegensatz zu anderen Gebirgsketten dieser Erde touristisch perfekt erschlossen und bieten eigentlich alles, was man für einen Aktivurlaub im Winter oder Sommer braucht. Auch hier müsste man dann ein Programm entwickeln, um die Alpen in Summe noch mehr zum Erlebnispark werden zu lassen. Bei diesem „iPod“ besteht freilich die Gefahr, dass er mehr für die Alpen in Summe als für Österreich wirbt.


• Drittens: Schwieriger wird es, einen „iPod“ für den Wirtschaftsstandort Österreich zu finden. Denn hier bietet sich spontan wenig an. Dafür könnte man aber überlegen, ob man eine Art modernes Silicon Valley schafft. Dies könnte etwa ein Green Valley mit Fokus auf Umwelttechnologie und Umweltmanagement sein. Vielleicht wäre auch ein Mechatronic Valley denkbar.

Dazu müsste der Staat, also die Regierung, als Basis eine echte Zukunftsvision für den Standort Österreich entwickeln und diese vor allem auch konsequent umsetzen. Das hätte vor allem auch Auswirkung auf die universitäre Landschaft und auf mögliche Investitionsprogramme, um wirklich in einem Bereich zuerst europa- und dann weltweit wahrgenommen zu werden.

Heiligenschein-Effekt nutzen

Einer der wichtigsten psychologischen Effekte in der Markenführung ist der Heiligenschein-Effekt. Der besagt Folgendes: Wenn eine Marke oder auch eine Person in einem speziellen Bereich sehr gut wahrgenommen wird, wird diese Marke oder auch diese Person generell sehr gut wahrgenommen. Wenn aber eine Marke oder auch eine Person versucht, sich selbst in vielen Bereichen als sehr gut darzustellen, wird diese in der Regel nur als durchschnittlich wahrgenommen.

Menschen haben ein gesundes Misstrauen gegenüber Alleskönnern. Dies sollte man auch beim Nation Branding berücksichtigen, um über einzelne ausgesuchte Leuchttürme die Nation in Summe perfekt aufzuladen, statt nach der einen großen Alleskönner-Klammer zu suchen.

Die Marke Österreich muss also nicht schlafen, man müsste sie nur fokussiert aufwecken!

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Michael Brandtner
hat sich auf strategische Marken- und Unternehmenspositionierung spezialisiert. Er berät nationale und internationale Klienten aus verschiedenen Branchen bei der marktgerechten Ausrichtung ihrer Unternehmen. Autor von Fachkommentaren und Büchern, zuletzt „Brandtner on Branding“. [ Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2016)

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