Reformvorhaben: Fangen wir beim Föderalismus an!

Die Befugnisse der Landeshauptleute „abrüsten“ – die Bezirke aufwerten.

Angenommen, es würden sich einige Medien inklusive der Bundesländerzeitungen auf eine gemeinsame Aktion einigen, ähnlich dem legendären Rundfunk- und Fernsehbegehren der 1960er-Jahre: Dann könnte man endlich so viel Druck auf die verantwortlichen Politiker und Interessenvertreter (Kammern, Gewerkschaft) ausüben, dass diverse Reformen endlich forciert angegangen würden. Die wichtigste Reform wäre dabei im Bereich Föderalismus/Verwaltung, denn hier verhaken sich die diversen Reformvorhaben zu einem Gordischen Knoten.

Weiter angenommen, es können sich alle auf einen Text einigen, der zwar mehr als nur Schlagwörter enthält, aber trotzdem in verständlicher Form verfasst ist; also auch keine „No na“-Formulierungen, wie sie zuletzt in Österreich leider üblich geworden sind.

Weiter angenommen, es werden auch die bereits vorliegenden Reformvorschläge vom Rechnungshof und anderen Institutionen verwendet, denen es tatsächlich um Verbesserungen und nicht um Besserwisserei geht. Und es werden tatsächlich überprüfte und überprüfbare Zahlen genannt, was die Einsparungen anbetrifft – dann würde der Bevölkerung wohl zum ersten Mal eine sachliche und moralische Investition im Interesse des Staates abverlangt werden.

Ein System à la Schweiz?

Die „übergeordnete Reform“ wäre dabei eine Reform der Bundesländerpolitik, wie sie derzeit gang und gäbe ist und die meist jeden sachlichen Reformansatz (Bildung, Gesundheit, Finanzen etc.) im Keim erstickt. Kurz gesagt: Entweder schafft man ein System à la Schweiz mit regionaler Steuerhoheit; oder es gibt eine radikale „Abrüstung“ der Befugnisse der Landeshauptleute bei gleichzeitiger Aufwertung der Bezirke, aber nur für regionale Entscheidungen; und gleichzeitig wären auch die Befugnisse der Bürgermeister (private und gewerbliche Baubewilligungen – sprich: Zersiedelung und Raubbau an Ökoflächen!) zu reduzieren.

Zu viele Entscheidungsebenen

Die Begründung für diese Maßnahmen: Auch wenn die EU selbst reformbedürftig ist, so gibt es seit dem Beitritt zu dieser Union eine zusätzliche, in einigen Fällen übergeordnete politische Entscheidungsebene. Selbst wenn sich die EU vielleicht in Zukunft auf weniger Bereiche konzentrieren sollte (Außenpolitik, Verteidigung, Wirtschaft, Finanzen, Umwelt), haben die Mitgliedsländer doch eine interne Entscheidungsebene zu viel, wobei dies im Falle Österreich die Landesregierungen der neun Bundesländer sind.

Diese sind nicht nur von ihrer Struktur her, sondern vor allem von ihrem Machtanspruch her Zwitterwesen. Denn weder fühlen sie sich dem Gesamtstaat verpflichtet, noch gehen sie regional in die Tiefe, sind also nicht wirklich nah genug bei der Bevölkerung. Daher wären die Bezirkshauptmannschaften, die man eventuell noch „straffen“ könnte, die wahrscheinlich bessere Alternative. Die Bürgermeister wiederum sind oft „zu nahe“ an der Bevölkerung, was immer wieder zu Freunderlwirtschaft führt (z. B. Umwidmung von Grün-/Ackerland in Bauland).

Wie aber sollten Landesregierungen und Landeshauptleute in diesem neuen Umfeld agieren, beziehungsweise welche Kompetenzen sollten bleiben? Vorstellbar wäre eine Koordinationsstelle für die jeweiligen Bezirkshauptmannschaften, wobei diesen zusätzlich auch noch Beratung und Weiterbildung angeboten werden könnten. Man sollte das ja teilweise vorhandene Wissen nützen und nicht wie „das Baby mit dem Bad ausschütten“.

Hans Csokor war von 1976 bis 2009 Geschäftsführer der Publimedia (Publicitas), seither International Medienkonsulent.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

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