Österreichs Klimapolitik als Vorbild für die Welt?

Betreiben wir eine Klimapolitik, die Donald Trump interessieren könnte? Vielleicht kann er sich ja etwas von unserer Chuzpe abschauen.

Wir werden immer wieder daran erinnert, dass wir zu viele nicht erneuerbare Rohstoffe verheizen und verstromen – zuletzt tat das wieder Heinz Kopetz in einem Gastkommentar in der „Presse“ (30. Jänner) – und dass wir damit auch noch den Klimawandel anheizen. Dem muss man zustimmen, aber kaum den Schlüssen, die Kopetz aus diesem Umstand zieht.

Er schlägt vor, durch deutlich erhöhte Besteuerung fossiler Rohstoffe und – das schwingt bei einem ehemaligen Präsidenten des Weltbiomasseverbandes natürlich mit, wenn er ein neues Ökostromgesetz fordert, – noch weiter erhöhte Förderung der „Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen“ das Ruder herumzureißen. Österreich als Vorbild – bösartig aber treffend karikiert in der über dem Kopetz-Artikel stehenden Zeichnung von Peter Kufner: „Ich möchte Vorbild sein für Trump und persönlich weniger Methan ausstoßen.“

Zwei Tatsachen verschweigt Heinz Kopetz freilich: Erstens können wir aus eigenen Quellen auf die Dauer nicht genügend Energie bereitstellen, auch wenn das letzte Alpental mit einer Staumauer versehen, der letzte Wald für Biomasse verheizt und die letzte freie Fläche auf der Parndorfer Platte mit Windrädern und Solarpanelen zugepflastert wird.

Prinzip Hoffnung in der Kälte

Genügend Energie gibt es ganz sicher nicht für kalte Zeiten (wie zuletzt Matthias Auer in der „Presse“ vom 27. Jänner: „Europas Stromnetz im Kälteschock“), solange die Physiker und Chemiker nicht die richtigen Batterien entwickelt haben, um wie Moses in Ägypten in den fetten Wochen (bei Moses waren es die sieben fetten Jahre) Strom für die sonne-, wind- und wasserlosen mageren Wochen zu speichern. Das Prinzip Hoffnung „Der Wind wird schon blasen und die Sonne wird schon scheinen, wenn's kalt wird“ reicht nicht, wie der frühere Energieregulator Walter Boltz es jüngst ausdrückte.

Denn die Entwicklung der Speicher wird noch lange dauern, sagte der in der Speicherforschung tätige österreichische Stanford-Professor Friedrich Prinz der „Wiener Zeitung“ (31. Dezember 2016) in einem Interview.

Wir müssen schon jetzt übers Jahr fast 20 Prozent unseres Stroms und all die fossilen Rohstoffe Öl und Gas für die Heizungen importieren. Der Bedarf wird dabei, wenn wir weitermachen wie bisher, mit steigender Bevölkerungszahl nicht fallen.

Wenn sich die Elektroautos vermehren, wonach es gegenwärtig trotz allen Jubelmeldungen über 3604 im Jahr 2016 verkaufte E-Fahrzeuge zum Glück noch nicht aussieht, dann brauchen wir dafür auch noch zusätzlichen tschechischen Braunkohle- oder Atomstrom. Denn diese Wunderdinge, die uns die auf neue Absatzmärkte und noch mehr Autos schielende Autoindustrie natürlich verkaufen will, brauchen auch nicht weniger Energie. Bei Überlandfahrten benötigen sie sogar eher mehr als die über ein Jahrhundert optimierten benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeuge.

Unrealistische Klimaziele

Nun sagt man uns, dass Elektromobile sauberer sind als die konventionellen Autos. Um die ganz ordentlichen staatlichen Förderungen zum Ankauf dieser Prestigeobjekte zu lukrieren, muss man sich tatsächlich verpflichten – das ist die Auflage des Umweltministeriums – für sein Elektrofahrzeug 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energieträgern zu verwenden, so als ob der Österreicher, wenn er nur etwas mehr bezahlt, rein blauen oder grünen Wasserstrom kaufen könne.

Dass im Netz bald 20 Prozent tschechischer (oder deutscher oder französischer) Braunkohlen- und Atomstrom stecken, darf der Kunde vergessen. Hauptsache, er kauft – und das Umweltministerium kann sich ein weiteres grünes Mäntelchen umhängen. Die Umwelt wird ja in Tschechien geschädigt, nicht bei uns in Österreich.

Der richtige Weg aber wäre Sparen: Nicht noch mehr Autos und auch nicht zusätzliche Elektroautos, sondern Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel, aufs Fahrrad und auf Fußwege.

Zweitens besteht praktisch keinerlei Hoffnung, dass die völlig unrealistischen Klimaziele erreicht werden, die sich zuerst (2014) unsere europäischen Minister augenzwinkernd gesetzt haben (minus 40 Prozent bei den Treibhausgasen europaweit bis 2030). Sie taten dies in vollem Bewusstsein, dass die europäischen Staaten mit Nachholbedarf, wie unter anderem Polen, nicht im Traum daran denken, diese Ziele einzuhalten. „There is a spectrum of views“, heißt es in der Brüssler Erklärung, und dass „flexibility” nötig wäre, dem Sinne nach „daran halten kann sich, wer will“.

Große Staaten, große Sünder

Diese hehren Ziele wurden dann in Paris und vor kurzem in Marrakesch auf den sogenannten Weltklimakonferenzen weltweit übernommen – wieder im Wissen, dass gerade die großen Staaten und größten Treibhausgas-Produzenten und Luftverschmutzer – Beispiel China – sie nicht oder erst ab 2030 in Erwägung zu ziehen gedächten.

Wesentliches Ergebnis der Konferenzen: viel verbrauchtes Flugbenzin durch die An- und Abreisen der wichtigtuerischen Teilnehmer. Jetzt schert vermutlich auch noch der zweitgrößte Treibhausgas-Sünder, nämlich die USA, aus dem Weltklimavertrag aus.

Was also soll es bringen, wenn wir, wie Peter Kufner karikiert, unsere „persönlichen Methan-Ausstöße“ herabsetzen? Wenn wir, wie oben geunkt, das letzte schöne Alpental mit einer gefährlichen Staumauer verbarrikadieren, das Weinviertel vielleicht absiedeln oder die Bewohner vertreiben, um dort Windräder aufzustellen? Noch einmal: Der richtige Weg wäre nicht noch mehr Energieverbrauch, sondern Sparen.

China bekämpft seine Umweltprobleme durch den ungehemmten Bau von Kernkraftwerken. Ob das ein Vorbild ist? Und ob wohl Europa dies in Zukunft auch tun wird? Kopetz schreibt: „Heute ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Österreichs froh, dass 1976 die Atomenergie abgelehnt wurde.“ Das stimmt wohl, aber was er nicht schreibt und was auch „der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung Österreichs“ nicht bewusst ist: dass wir Atomenergie aus Tschechien und anderen Ländern importieren müssen.

Das nenne ich Chuzpe . . .

Vielleicht reicht es ja weiterhin, so wie gegenwärtig diese Energie aus Tschechien, Deutschland etc. einzuführen; und noch mehr „dreckigen“ Braunkohlenstrom; und all unser Öl und Gas aus dem Iran, Arabien usf. Aber irgendwie müssen wir halt unsere Geschirrspüler etc. etc. betreiben. Doch unser eigener Strom ist ja zu 100 Prozent grüner (oder blauer) Strom, sagt mir mein Versorger, der mir ausschließlich diesen „guten Strom“ liefert. Das nenne ich Chuzpe – wenigstens auf diesem Gebiet können wir Vorbild sein.

Ich nehme an, ja ich hoffe es fast, dass Kufner für diese Replik auch eine bösartige witzige Karikatur eingefallen ist. Ich bitte um Milde, werde aber seinen Hohn aushalten müssen . . .

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR



Gero Vogl
studierte Physik an der Universität Wien, habilitierte sich an der Technischen Universität München. Von 1977 bis 1985 Professor an der Freien Universität Berlin und Direktor am heutigen Berliner Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie. Von 1985 bis 2009 Ordinarius für Physik an der Universität Wien. Sein Forschungsschwerpunkt: Materialforschung. [ Uni Wien]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2017)

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