Pressestimmen

Das Duell: Junger Aufsteiger gegen „böse Stiefmutter“

Die Kommentare in vielen Zeitungen warnen davor, Marine Le Pen für die Stichwahl am 7. Mai bereits abzuschreiben.

„Libération“ „Volk“ kontra „Eliten“

Paris. „In der Stichwahl stehen sich der Sozialliberalismus von Emmanuel Macron und der Nationalismus von Marine Le Pen gegenüber. Öffnung steht gegen Abschottung, das vereinte Europa gegen ein isoliertes Frankreich. Im Prinzip sollte es der junge Sieger der ersten Runde mithilfe der republikanischen Kräfte aller Parteien schaffen, die böse Stiefmutter zu schlagen. Allerdings hat der Front National das beste Ergebnis seiner Geschichte bei einer Präsidentschaftswahl erzielt. Le Pen könnte es nun auf einen Kampf zwischen ,Volk‘ und ,Eliten‘ anlegen. In dieser neuen politischen Kulisse ist alles möglich.“

„Washington Post“ Reale Gefühle

Washington. „Was auch immer das Endergebnis sein wird, Le Pen und ihre Partei werden nicht verschwinden. Sie stehen für Gefühle, die real sind, die in jedem westlichen Land existieren und die nun am besten offen, Punkt für Punkt, Argument für Argument bekämpft werden müssen. Denn sie stellen eine echte und große Bedrohung für die liberale Demokratie dar, wie wir sie kennen.“

„El Mundo“ Das Fiasko der Vorwahl

Madrid.„Beide traditionellen Parteien haben teuer bezahlt für ihr falsches Verständnis der direkten Demokratie. Die parteiinternen Kandidatenwahlen führten zu einem wahren Fiasko. In beiden Fällen haben Parteimitglieder und Sympathisanten auf selbstmörderische Art abgestimmt. Die unerwarteten Niederlagen von Valls bei den Sozialisten sowie Sarkozy und Juppé bei den Republikanern zwangen beide Parteien dazu, mit schlechteren Kandidaten anzutreten (. . .) In zwei Wochen können die Franzosen mit ihrer Stimme Marine Le Pen stoppen, aber Europa bleibt vom Glaubwürdigkeitsverlust der Politik bedroht, der den Populismus anheizt und die herkömmlichen Parteien zerstört.“

„Le Figaro“ Konservative Schlappe

Paris. „Die konservative Partei, die fünf Jahre lang die Sozialisten in den Wahlen schlecht aussehen ließ, die konservative Partei, deren Ideen und Werte noch nie so tief im ganzen Land verankert waren und noch nie so stark von der Mehrheit geteilt wurden, diese konservative Partei, prädestiniert für den Sieg, wurde gestern einfach ausgemerzt. Obwohl der Wunsch nach einem Politikwechsel noch nie so stark war wie nach dieser fünfjährigen Legislaturperiode, die alle einstimmig für grässlich halten, wird sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl repräsentiert sein. Es ist ein verblüffender Zaubertrick, der es verdient hätte, in den Ausbildungsstätten für Politiker unterrichtet zu werden: Emmanuel Macron wird mit großer Sicherheit der nächste Staatspräsident Frankreichs.“

„Gazeta Wyborcza“ Le Pen bleibt im Spiel

Warschau. „Le Pen bleibt im Spiel. Sicher verliert sie gegen Macron den Kampf um die Präsidentschaft. Aber sie wird in den Wahlen im Juni eine große Gruppe von Abgeordneten ins Parlament führen. Denn die Niederlage des Kandidaten der Sozialistischen Partei, Benoît Hamon, und die Niederlage von François Fillon, dem Vertreter der republikanischen Rechten, bestätigen die Krise der traditionellen Parteien in Frankreich. Und sie bestätigen, dass der Front National eine Mainstream-Gruppierung geworden ist. Nach diesen Wahlen werden Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit und eine Politik, die darauf beruht, massenhaft Lügen zu verbreiten, Teil der französischen Realität. Die republikanische Rechte, die schon seit Längerem mit solchen Extremen flirtet, wird sich davon noch weiter infizieren lassen.“

„La Repubblica“ Impulse für die EU

Rom. „Für alle diejenigen, die Europa als potenzielles Hindernis ihrer eigenen Machtbestrebungen sehen, wäre der Sieg von Marine Le Pen in der Stichwahl ein Segen, während der Triumph von Emmanuel Macron zweifelsohne ein schreckliches Ärgernis bedeuten würde. Seit dem Tod Mitterrands ist Frankreich von Präsidenten regiert worden, die der Idee der europäischen Integration entweder kühl gegenüberstanden, wie Chirac, oder aber zu schwach waren, der Integration einen entscheidenden Anstoß zu geben, wie Hollande. Ein Sieg von Macron dürfte hingegen eine beachtliche Beschleunigung des Projekts eines Europas der zwei Geschwindigkeiten bedeuten, das Merkel bisher nur skizziert hat. Ein wirtschaftlich, politisch und auch militärisch stärker integriertes, robustes Europa könnte das globale Mächtegleichgewicht bedeutsam verändern – zuungunsten derjenigen, die von einer schwachen oder nicht existenten EU träumen.“

„Neue Zürcher Zeitung“ Nur Nettsein reicht nicht

Zürich. „Für die zweite Runde der Präsidentenwahl am 7. Mai sagen die Meinungsumfragen eine klare Niederlage für Le Pen voraus. Aber auf den ,Front républicain‘ gegen die extreme Rechte ist kein Verlass mehr. Ein Wahlsieg Le Pens liegt im Bereich des Möglichen – falls genügend enttäuschte Bürgerliche zu ihr überlaufen und genügend enttäuschte Linke sich der Stimme enthalten. Um Le Pen überzeugend zu schlagen, wird Macron sein Profil schärfen müssen. Es reicht nicht, nett zu wirken.“

„The Times“ Nerven aus Stahl

London. „In Frankreich werden keine echten Reformen möglich sein, ohne dass die Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und das Rentenalter angehoben sowie Hunderte in Ehren gehaltene Sozialprogramme verschrottet werden. Der neue Präsident wird Nerven aus Stahl brauchen, um sich den unvermeidlichen Streiks und Autobahnblockaden zu stellen. Macron, der wahrscheinlich alle Stimmen der Linken und viele aus dem konservativen Lager von François Fillon bekommen wird, wird rasch lernen müssen, dass marktwirtschaftliche Reformen zwar sehr wichtig, aber sehr schwer umzusetzen sind.“

„Lidové noviny“ Noch nicht gewonnen

Prag.„Macron muss seine Position im zweiten Wahlgang bestätigen, aber auch dann hat er noch nicht gewonnen. Denn im Sommer entscheiden die Franzosen über das neue Parlament. Die Erfahrungen zeigen, dass die Wähler dabei nicht automatisch Macron unterstützen müssen. Seine neue Bewegung En Marche! liegt noch in den Windeln. (. . .) Im Extremfall wartet auf ihn die Position eines schwachen Präsidenten, der nur auf die Diplomatie und die Verteidigung wirklichen Einfluss hat. Das wäre für Europa eine schlechte Nachricht. Fast so schlecht wie ein Wahlsieg Marine Le Pens.“

„New York Times“ Ein weiteres Warnsignal

New York. „Das gute Abschneiden von Frau Le Pen, die ein Referendum über das Verbleiben Frankreichs in der EU versprochen hat, ist ein weiteres Warnsignal für die steigende Gefahr durch populistische rechte Politiker, in Europa und auf der ganzen Welt. Ihr fremdenfeindlicher Front National wird stark bleiben, solange die Arbeitslosenrate in Frankreich im zweistelligen Bereich bleibt, und die vielen Franzosen, die glauben, dass die globalen Eliten sie fallen gelassen haben, nirgendwo anders Hoffnung finden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2017)

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